Ein lehrreicher Abend beim SC Preußen Münster
War das etwa eine Richtungswahl beim SC Preußen Münster? Die ganze Mitgliederversammlung des SCP am Sonntag war eigentlich geprägt von Harmonie und gegenseitigem Dank. Bei der Wahl des Aufsichtsrats wurde es aber wie erwartet spannend und das Ergebnis sowie die Geschichten drumherum dürften als Lehrstunde mit Erkenntnisgewinn durchgehen.
Im besten Sinne ein Lehrstück war der Auftritt von Frank Westermann. Der langjährige Vorsitzende des Gremiums hatte in der Vorbereitung der Mitgliederversammlung auf markige Worte verzichtet, konnte seine Arbeit für sich sprechen lassen – und wurde am Ende mit einem gewaltigen „Ja“-Ergebnis wiedergewählt. Von den 755 stimmberechtigten Mitgliedern erhielt er 646 Ja-Stimmen. Mehr als alle anderen. Das war schon ein deutliches Signal der Mitglieder und dürfte Westermann einiges an Schwung für seine Arbeit mitgeben.
Zweimal Ja für „fannahe“ Bewerber
Noch spannender: Auf den Plätzen zwei und drei der Wahlliste schickten die Mitglieder Hendrik Brüggemann (554 Stimmen) und Friedrich Lukas (494 Stimmen) ins Rennen. Zwei Vertreter, die auf ihre jeweils eigene Art ein Ohr am Puls der Mitglieder, der Fanszene, haben. Und die Stimmzahlen legen nahe, dass beileibe nicht nur viele jüngere Leute diese beiden gewählt haben, sondern beide ein breites Votum aller Mitglieder erhielten. Beide sollte man aber keinesfalls auf ihre Beziehung zu Fans oder ihr Engagement für Fan-Themen reduzieren, denn sowohl Brüggemann wie auch Lukas haben ihren eigenen beruflichen Werdegang und können das Gremium mit anderen Perspektiven bereichern. Dass Westermann selbst in seiner Rede darauf verwies, Brüggemann „motiviert“ zu haben, war eine starke Geste. Ihnen zur Seite steht Thomas Pfeifer, auch ein Vertreter der eher jüngeren Generation, der schon zuvor dem Aufsichtsrat angehörte.
Aus Sicht des Gremiums war zudem erfreulich, dass zwei Personen bestätigt wurden, die sonst gar nicht in der Öffentlichkeit stehen: Jürgen Becker und Wilfried Roth. Beide wurden wiedergewählt – wozu man den Mitgliedern im Grunde nur gratulieren kann. Denn so „unsichtbar“ beide nach außen wirken, umso wichtiger ist ihr Beitrag und auch ihr Engagement für den Klub. Es ist beruhigend, dass auch ein Abend mit ganz anderen Rahmenbedingungen dazu führt, dass Kontinuität gewählt wird statt … persönlicher Interessen.

Zweimal knallhart abgewählt
Und das ist die andere Geschichte. Zwei Personen, Dr. Ursula Paschke und Thomas Röttgermann, wurden nicht nur nicht in den Aufsichtsrat gewählt – sie wurden ausdrücklich abgewählt. Beide erhielten jeweils mehr als 300 ausdrückliche Nein-Stimmen. Was bedeutet, dass hunderte Mitglieder eine oder zwei ihrer wertvollen Ja-Stimmen aufgaben, um explizit zwei Personen zu verhindern.
Paschke hatte dabei gar nichts Unrechtes getan und sich nichts zuschulden kommen lassen. Im Präsidium, dem sie vorerst weiterhin angehört, hat sie ihre Erfahrungen eingebracht und geholfen, Strukturen zu verbessern. Der auf Kurs gebrachte KidsClub mit über 1.000 Mitgliedern geht auch auf ihre Kappe. Ihr Problem war, dass ihr Wechsel aus dem Präsidium in den Aufsichtsrat nicht erklärbar war und es ihr auch nicht ansatzweise gelang, ein überzeugendes Argument dafür zu liefern. Nichts, wirklich gar nichts ihrer bisherigen Arbeit könnte aus dem Aufsichtsrat besser laufen als bereits jetzt. Das sorgte für Zweifel unter den Mitgliedern – und den Verdacht, dass es vielleicht eine taktische Rochade sein könnte. Genau dieser Eindruck blieb dann an den vielen Wahlzetteln haften …
Schlimmer noch erwischte es Thomas Röttgermann. Dass der langjährige Fußball-Funktionär mit einer Preußen-Vergangenheit (Anfang der Neunzigerjahre war er Marketingchef beim SCP und Teil einer überregional beachteten Werbekampagne für den SCP) viel Expertise mitbringen könnte, dürfte unstrittig sein. Dass er sich 2024 als bereits gewählter Vertreter aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen hatten, nahmen ihm viele übel. Zumal er selbst am Sonntag zugab, dass ein heftiger Streit mit der Vereinsspitze den Ausschlag gab – beim Abschied 2024 hatte er versucht, diesen Abgang als „erwachsenen“ Umgang mit Problemen zu verkaufen. Dabei hatten ihn die Mitglieder sicher nicht dafür gewählt, dass er sein Amt so schnell wieder wegwirft. Erwachsen wäre gewesen, einen gemeinsamen Weg zu finden.
Kommunikationsdesaster für Röttgermann
So ein bisschen passte Röttgermanns Abschied damals in ein Muster. Viele seiner beruflichen Stationen endeten nicht im besten Einvernehmen. Am Sonntag lief Röttgermann völlig unvorbereitet in ein Kommunikationsdesaster. Dass nun plötzlich alle Probleme ausgeräumt seien und alle an einem Strang zögen, kaufte Röttgermann ohnehin fast niemand ab. Richtiggehend ungemütlich wurde es für den Kandidaten, als Mitglied Andreas Ratering ans Mikro schritt und sich – bestens vorbereitet – einmischte: Dass Röttgermann mit seiner Agentur „ROAD“ als Berater für andere Profifußballklubs arbeite und gleichzeitig ein Amt beim SCP anstrebe, sei problematisch. Röttgermanns Replik, dass er in keinerlei Verbindung zu anderen Klubs stehe, konterte Ratering mit einem gegenteiligen Zitat von der Webseite der Agentur. „Ich arbeite derzeit mit den Geschäftsführern und Vorständen mehrerer Erst- und Zweitliga-Fußballvereine zusammen und coache erfolgreich eine gute Handvoll talentierter Nachwuchskräfte aus der Bundesliga. Zudem berate ich den Aufsichtsrat eines etablierten Bundesligavereins.“ Autsch. Da konnte Röttgermann nur noch auf veraltete Webseitentexte verweisen – „das ist halt so“… als sei die Webseite nicht seine eigene und hätte sicherheitshalber vor der JHV mal geändert werden können…
Als Dr. Clemens Große Frie dann ans Mikro trat und scheinbar unverfänglich über Röttgermanns Einstellung zum Ehrenamt fragte, ahnte man schon, dass die Sache nicht gut ausgehen würde. Große Frie, früher Vorstandsvorsitzender der Agravis AG, war selbst lange im Aufsichtsrat und kritisierte Röttgermann für dessen Beratervertrag mit dem SCP. Das hatte erhebliches Gewicht. Tatsächlich hatte sich der SCP nach Röttgermanns Abschied aus dem Aufsichtsrat hier und da Rat beim Funktionär geholt – das ließ sich Röttgermann gut bezahlen (allerdings nicht während seiner Zeit im Aufsichtsrat – das muss betont werden). Große Fries Frontalangriff auf das Selbstverständnis des Kandidaten konnte der nur noch hilflos beantworten.
Sagenhafte 18 Ja-Stimmen fuhr Röttgermann ein, aber fast 400 nein-Stimmen. Das war eine Klatsche und dürfte Röttgermanns Engagement für den SC Preußen, in welcher Form auch immer, dauerhaft verhindern. Wie man die Stimmungslage und das eigene Handeln so falsch einschätzen konnte, wird eines der Rätsel sein, die Röttgermann lösen muss.

Schwencke erneut gescheitert
Noch eine Geschichte erzählt die Wahl. Tim Schwencke will es irgendwie nicht gelingen, die Mitglieder zu überzeugen. Schon bei der letzten Wahl 2022 scheiterte er am Mitgliedervotum – dabei bringt der Unternehmer viel Erfahrung mit. Nicht ohne Grund rückte Schwencke nach Röttgermanns Aus 2024 in den Aufsichtsrat nach. Frank Westermann hatte nur Lob für den Unternehmer übrig, dessen nachträgliche Berufung (Kooptierung) sicher keine große Überraschung wäre. Schwencke möge man wünschen, dass er bei künftigen Reden etwas mehr auf das verweisen würde, was er inhaltlich einbringen kann – und weniger persönliche und berufliche Erfolge in den Vordergrund stellt. Nicht überzeugend auf der JHV, aber überzeugend in der täglichen Arbeit – letztlich wird das zählen.
Auch Siggi Höing muss wohl vorerst ohne einen weiteren Gremiensitz auskommen. Nach seinem Abschied Ende 2023 wollte er noch einmal einen neuen Anlauf nehmen. Sein Pech war vielleicht, dass die Konkurrenz einfach zu stark war – und dass Höing unfreiwillig für „alte Zeiten“ steht. 2006 war er eingestiegen, damals unter Präsident Marco de Angelis. Er kümmerte sich um kleinere und mittlere Sponsoren, sollte aber auch ein Ohr für Fanthemen haben. In seine Zeit fielen aber bittere Momente wie Blocksperren, Kollektivstrafen, endloser Stress zwischen Klubspitze und Fanszene… irgendwie hatte man diese unschönen Zeiten abgehakt und vielleicht stand Höing als eine Art Symbol dafür. Dabei war sein Ergebnis ja gar nicht schlecht: Mit 158 Stimmen verfehlte er einen Sitz im Aufsichtsrat nur knapp – auch er könnte also im Fall der Fälle nachrücken. Der Gebietsverkaufsleiter bei Warsteiner wird allerdings mitnehmen, dass Warsteiner im Stadion nicht zwingend das Mittel der Wahl ist… aber das Gejohle nahm er mit Humor.
Ziemlich chancenlos waren auch Martin Jostmeier und der Dülmener Arzt Wolfgang Bagnewski. Letzterer hatte im Grunde gar keine Kompetenzen für den Aufsichtsrat aufgezeigt – außer Empathie und dem Bild des SCP als eine Familie. Das war dann einfach zu dünn. Und der Versammlungsleiter und früheres Präsidiumsmitglied Jostmeier fand auch keinen nachhaltigen Zugang zu den Mitgliedern.
Die Botschaft vom Sonntag war am Ende deutlich: Die Mitglieder haben Kontinuität und Verlässlichkeit gewählt. Sie haben einen starken Mix aus Kompetenzen und neuen Perspektiven für den Klub gewählt. Sie haben offensichtliche Taktiererei und strategische Manöver verhindert. Das Signal dürfte dem Aufsichtsrat mächtig Rückhalt geben – und ob das Präsidium in seiner heutigen Zusammensetzung über den 16. Januar hinaus Bestand hat, darf nun gleichzeitig mit einem Fragezeichen versehen werden.
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Wie immer scharf beobachtet und wahrheitsgemäß wiedergeben. Dank an den Chronisten.