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Ein Preußen-Jahrzehnt #2: Die Fascher-Show in Münster

In der Serie „Ein Preußen-Jahrzehnt“ erinnern wir in chronologischer Reihenfolge an die Themen, Spiele und Geschichten rund um den SC Preußen Münster. Heute: März 2010 begann die „Fascher-Show“ in Münster…

Also mal ehrlich: Fragt man heute bei Preußenfans nach den Trainern, die am meisten Eindruck hinterlassen haben, dann fallen ein paar Namen ganz sicher. Helmut Horsch, Hans-Werner Moors, sicher auch Pavel Dotchev. Ganz sicher aber Marc Fascher.

Fascher, heute 51 Jahre alt, ist einer von exakt zwei Trainern, den in den vergangenen 70 Jahren ein echter Aufstieg mit den Preußen gelungen ist. Der eine war Horsch (1989 in die 2. Bundesliga), der andere Marc Fascher (2011 in die 3. Liga). Das allein erklärt schon, warum Trainer im kollektiven Gedächtnis bleiben.

Und Fascher brachte neben sportlichem Erfolg auch etwas anderes mit. Er versprühte den Eindruck, irgendwie einer „von uns“ zu sein. Nicht ohne Zufall bekam er als einziger Trainer der vergangenen Jahrzehnte einen eigenen Spitznamen verpasst. Der „Fischkopp“. Und das war nicht herablassend gemeint.

Die Wege von Marc Fascher und Preußen Münster überkreuzten sich im März 2010, also passend vor einem Jahrzehnt und damit ist diese Erinnerung ein prima Start in diese kleine Serie.

In Münster war Roger Schmidt nach einem 2:2 in Bonn (siehe Auftakttext zur Serie) nicht mehr zu halten. Schmidt war zwar unter großem Aufwand 2007 aus Delbrück nach Münster gelotst worden und wurde dort auch mit einem langjährigen Vertrag ausgestattet), aber nach dem Unentschieden in Bonn war der Rückstand auf die Spitzenplätze der alten Regionalliga West so groß, dass nichts mehr zu retten war. Auch nicht Schmidt, der irgendwie völlig gegen den Willen der Klubführung, aber sehr im Einklang mit dem „Fanwillen“ freigestellt wurde.

Marc Fascher während seiner Vorstellung im März 2010.
Marc Fascher während seiner Vorstellung im März 2010. Auf dem Podium auch Präsident Marco de Angelis, Thomas Bäumer und Sport-Geschäftsführer Carsten Gockel.

Am 21. März 2010 stellte der SCP dann Marc Fascher vor. Der hatte sich seine Meriten zuvor vor allem bei Kickers Emden erarbeitet, wo er drei Jahre lang einen guten Job erledigt hatte. Gleich im ersten Jahr schaffte er mit Emden den Aufstieg in die 3. Liga. Und als Aufsteiger sorgte Fascher mit seinem Team direkt für Furore – am Ende landeten die Kickers auf Platz 6 der 3. Liga. Zwischenzeitlich lag sogar die Möglichkeit des direkten Aufstiegs in die 2. Bundesliga in der Luft.

Kurz zur Erinnerung für jüngere Fans: 2008/2009 stiegen Union Berlin und Fortuna Düsseldorf aus der 3. Liga auf…

Also klar: Fascher war einer, der etwas mitbrachte, was dem SCP in der Viertklassigkeit gefehlt hatte. Unter Schmidt feierte der SCP zwar eine letztlich bedeutungslose Oberliga-Meisterschaft, aber wegen der Ligareform spielte der SCP im Jahr darauf weiter nur in der vierthöchsten Liga. Und das sollte Fascher nun ändern.

Im ersten Spiel unter Marc Fascher holte der SCP immerhin einen Achtungserfolg gegen den Spitzenreiter 1. FC Saarbrücken. 3.381 Zuschauer (ja, so war das damals) sahen ein 0:0.

In der Saison war anschließend nicht mehr viel zu retten. Unter Fascher holte das Team nur noch vier Siege aus elf Spielen, darunter aber ein vielumjubeltes 4:0 gegen RW Essen und ein 2:0 in Mannheim. Am Ende fand sich der SCP dort, wo er schon bei der Amtsübernahme von Fascher stand: auf Platz 6.

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Das Jahr darauf wurde allerdings zum Triumphzug. Ja, die Saison wies zwischendurch auch „Dellen“ auf. Als der SCP im Winter beim hartnäckigen Verfolger Lotte mit 0:1 verlor, da wankte der ganze Laden kurz. Tatsächlich wurde kurz über den Trainer diskutiert, denn in den Wochen zuvor stimmten die Ergebnisse, aber oft fielen die Spiele eher müde aus. Aber dann rissen sich alle zusammen und der SC Preußen gewann neun (!) Spiele in Serie.

Mit 72 Punkten (Nanu? 72 Punkte? Klingelt da was?) sicherte sich der SCP am Ende die souveräne Meisterschaft. Fascher bekam ein Team zusammengestellt, mit dem er glänzend harmonierte. Namen wie Kühne, Kirsch, Huckle, Kara, Chitsulo, Ornatelli oder auch N’Diaye sind unvergessen in Münster – und einige dieser Spieler haben noch immer Beziehungen in die Stadt oder leben gar hier.

Den Aufstieg sicherte sich der SCP – das weiß jeder – schon vier Spieltage vor Saisonende. So stabil ging Faschers Truppe durch die Liga. 18.500 Fans sahen ein klares 3:0 gegen Borussia Mönchengladbach. So stark war der SCP, dass er sogar die Luxus-Sorge hatte, nach dem 2:0-Auswärtssieg in der Vorwoche in Elversberg auf dem Sofa aufsteigen könnte, wenn die Konkurrenz patzte. Aber am Ende lief alles perfekt, perfekt, perfekt. Ein wunderbarer Tag in Münster, tausende Fans überall. Der SCP war zurück im Profifußball – und nicht mehr die schäbige und zweiteilige Regionalliga Nord, sondern in einer echten Top-Liga.

Aufstiegsspiel gegen Mönchengladbach II
Empfang auf dem Prinzipalmarkt… Marc Fascher ist Teil der Stadt Münster.
Marc Fascher auf dem Rathausbalkon… rechts Patrick Huckle.
Marc Fascher auf dem Rathausbalkon…

Statt Verl oder Elversberg und endlosen Zweitvertretungen traf der SCP auf Arminia Bielefeld, den VfL Osnabrück, auf Regensburg, Darmstadt oder Oberhausen. Das fühlte sich anders an, das war auch anders.

Aber wie das so ist. Undank ist der Welten Lohn…

Vorerst: Viele der Preußen, die dann ein Jahr später unter Pavel Dotchev eine Wahnsinnsserie hinlegte, kamen in Faschers Zeit zum SCP. Masuch, Siegert, Truckenbrod, Grote, Halet – auch der heutige Preuße Marco Königs spielte damals beim SCP. Er ist sozusagen das verbindende Glied zwischen damals und heute.

Faschers Mannschaft startete okay in die 3. Liga. Zum Start ein 1:1 gegen Heiko Herrlichs Unterhaching, dann gewann der SCP mit 2:1 in Chemnitz (remember Siegerts Distanzschuss von der Mittellinie ins Tor?!). Und mit Volldampf rauschte der Aufsteiger weiter durch die Liga: 1:0 gegen Oberhausen, 3:1 in Jena. Münster lag nach vier Spieltagen mit 10 Punkten gleichauf mit Spitzenreiter Regensburg. Das ging alles gut los.

Der Anfangsschwung ging dann etwas verloren und die Adler verloren mal, spielten meistens unentschieden. Abstiegsgefahr stand nie im Raum, die Preußen bewegten sich stabil im Mittelfeld. Auch deswegen, weil sie zwischendurch dann doch immer mal gewannen, wenn es angezeigt war: 1:0 gegen Aalen, 2:0 gegen Regensburg.

In die Winterpause ging der SCP als Tabellen-13. mit 27 Punkten. Das war alles in Ordnung und die Adler besaßen reichlich Abstand auf die Abstiegsränge, wo Oberhausen mit 19 Punkten rangierte. Nein, da war keine echte Abstiegsgefahr.

Das sah die Klubführung anders, allemal der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Bäumer. Der hatte sich in den Wochen zuvor den Unmut vieler Fans zugezogen, weil eine lautstarke Kritik am Trainer innerhalb der Tribüne publik wurde. Da kratzte jemand an Faschers Denkmal – so empfanden es viele Fans. Und für Thomas Bäumer bedeutete es wohl die endgültige Entfremdung von vielen Fans. Im Sommer 2008 war er für die Oberliga-Meisterschaft auf dem Domplatz noch gefeiert worden, aber nun war ein Tischtuch endgültig zerschnitten.

Auch die Beziehung zwischen Fascher und der Klubführung war offenbar schon viel zerrütteter als nach außen sichtbar war. Und das alles gärte durch die Winterpause. Im Klub befürchtete die Führung, dass der SCP in eine Abwärtsspirale rutschen könne. Plötzlich schwebte das Thema Abstieg um den SCP herum – das war für einen Aufsteiger eine seltsame Stimmung, denn wer hätte denn in dieser neuen Liga einen Durchmarsch erwartet?

Als die Preußen dann aus der Winterpause im Januar 2012 wieder in den Spielbetrieb startete, ging es nach Oberhausen. Ja, DIESES Spiel. Ein regnerischer Tag, der schon von Beginn an für die Stimmung tödlich war. Münsters Klubführung suchte unterschiedliche Wege zu ihren Plätzen. Einige nahmen den langen Weg außen herum, u.a. Thomas Bäumer lief vor dem Preußenblock her und wurde wüst beschimpft und mit Bierbechern beworfen. Der vermeintlich aufreizende und provokative Gang sorgte für miese Stimmung.

Szenen vor dem Preußenblock: Becher flogen auf Teile der Klubführung, die vor dem Preußenblock hermarschierten.
Die Stimmung auf dem Tiefpunkt bei den Fans.

Sportlich lief es so lala. Münster verspielte im Dauerregen einen 2:1-Sieg, weil Serkan Göcer in der 93. Minute noch traf. Ohne das hätte ein Sieg die Lage sportlich weiter entspannt – stattdessen war anschließend Panik angesagt. Nicht bei den Fans (zumindest nicht bei vielen), sondern eher in der sportlichen Führung. Marc Fascher musste geahnt haben, was kommt. Nach Spielende stand er plötzlich im T-Shirt vor dem Preußenblock („Der Fischkopp sagt Danke“). Das war das Ende. Gefeiert von den einen, gefeuert von den anderen. Faschers Zeit in Münster endete im Oberhausener Regen.

Oberhausen gegen Preußen: Marc Faschers letztes Spiel als Adler-Trainer…

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Weitere Informationen

Legendär verlief der folgende Fanstammtisch nur wenige Tage später. Auf dem schimpfte Bäumer dann plötzlich über die „Fascher-Show“. Man spreche die ganze Woche mit dem Trainer und dann habe er am Spieltag doch sein eigenes Ding gemacht – so die Kritik von Bäumer. Das verstanden die Zuhörer so, als wollte Bäumer bestimmen, wo es lang geht und nicht der Trainer.

Die Preußen holten Pavel Dotchev als neuen Trainer, der Anfang Februar direkt mit einem 2:0 in Babelsberg startete. Am Ende landete der SCP aber auch nur auf Platz 12 – sogar noch vor Arminia Bielefeld! Das hätte sicher auch Fascher geschafft, aber das ist eine These, die nicht mehr zu prüfen ist. Es gehört auch zur Geschichte, dass der „Fascher-Fußball“ nicht immer schön anzusehen war, aber pragmatisch und damit dem Ergebnis untergeordnet war. Der eher kompakte, defensive Ball stand später in einem krassen Kontrast zum Offensivfußball, den fast das gleiche Team unter Dotchev spielte und der natürlich viele Freunde fand. Aber das ist eine andere Geschichte.

Sicher ist: Marc Faschers Zeit in Münster dauerte nur knapp zwei Jahre. Aber als Aufstiegstrainer und „Fischkopp“ wird er noch heute gefeiert. Fascher bekam noch zwei Chancen in der 3. Liga. Bei Hansa Rostock und drei Monate bei SF Lotte (im Herbst 2017). Seit dem kurzen Job in Lotte war Fascher nicht mehr als Trainer aktiv, jetzt ist er als Scout unterwegs.

Und nachdem nun einige Jahre vergangen sind, gab es ja durchaus wieder einige Berührungspunkte. Im Sommer 2018 trainierte Fascher eine „Münster-Allstars-Band“, die gegen den SCP antrat. Der „Fischkopp“ hatte sichtlich Spaß an der Sache und traf viele seiner alten Wegbegleiter.

Sommer 2018: Münster Allstars – Trainer Marc Fascher mit „seinem“ damaligen Torwart Daniel Masuch.

Und in den vergangenen Monaten war Fascher ja auch einige Male zu Besuch im Preußenstadion. No hard feelings, wie man sagt. Die Zeit heilt viele Wunden und Marc Fascher hat hier ein paar Steine im Brett.

Besuch im Februar 2019 in Münster – hier mit Patrick Kirsch.

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