Vor dem Ratsentscheid: Preußenstadion bleibt Diskussionsthema
Am 7. September soll die Beschlussvorlage V/0292/2022 im Rat behandelt werden. Mit einer Zustimmung zur Vorlage könnte die Bauwerke Münster GmbH nun mit der konkreten Umsetzung des Stadionumbaus beginnen. Sollte man meinen. Doch von einem formlosen oder kommentarlosen Durchwinken kann keine Rede sein, der Stadionumbau steht nun doch wieder unter leichten Vorbehalten.
Grundsätzlich gilt: Der große Konsens über einen Stadionumbau steht weiterhin. Gerade erst am Montagabend betonte die neue Fraktionschefin Lia Kirsch noch beim verspäteten „Neujahrsempfang“ der SPD, dass die Partie weiterhin eng an der Seite der Preußen stehe und damit auch zum Stadionumbau. Die CDU ohnehin. Die Grünen sind ebenfalls vom Grundsatz her an Bord – doch hier knirscht es am meisten.
Einen öffentlichen Beleg dafür lieferte gerade Maximilian Brinkmann-Brand, persönlicher Mitarbeiter der beiden münsterschen Landtagsabgeordneten Robin Korte und Dorothea Deppermann. Via Twitter fragte er vor einigen Tagen die „Münsterbubble“ nach ihrer Meinung zum Stadionausbau. Der Tenor war schnell gesetzt: Die Kosten liefen ja aus dem Ruder, die Ratsvorlage sei so „naja“, das alles sei aber rein privat zu verstehen und keinesfalls als offizielle Position der Grünen, wie er später eigens herausstellte.
Nun kann man darüber diskutieren, wie privat ein privates Twitter-Konto ist, wenn darin der berufliche Hintergrund so in den Vordergrund gerückt wird. Gerade wegen solcher unscharfen Trennungen haben Unternehmen Social-Media-Guidelines entworfen, weil ihnen klar wurde, dass privat und beruflich eben nicht immer getrennt werden kann – insbesondere in der öffentlichen Wahrnehmung. Wie auch immer.
Brinkmann-Brand jedenfalls erkundigte sich in seinem Umfeld per Umfrage nach der Sinnhaftigkeit des Stadionumbaus. Wenig überraschend: 46 Prozent der Stimmen gingen auf das Konto „Geht gerade einfach nicht“. Was den Preußenfans zumindest Schweiß auf die Stirn treten lässt, lässt sich aber auch durch die Preußenbrille nicht ganz wegdiskutieren. Die Lage in der Welt, die galoppierenden Finanzen und viele Unsicherheiten stellen den Stadionumbau in einen anderen Kontext als noch vor zwei oder drei Jahren. Großprojekte werden nicht einfach durchgewunken nach dem Motto „Augen zu und durch“ – das ist auch richtig so. Ob es auch höflich oder sinnvoll ist, ein über Jahre mühsam erarbeitetes Kompromiss-Projekt mehr oder weniger formlos in Frage zu stellen?
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Verlagerte Fragen
In diesem Zusammenhang hatte die Verwaltung jüngst ihre Vorlage verfasst: Demnach werde das Umbauprojekt in mehrere Einzelprojekte zerlegt, über die dann jeweils der Rat einzeln befinden muss. Damit wird das Problem des fehlenden Geldes einfach in die Zukunft verlagert.
Zur Erinnerung: Stand jetzt sind nur 40 Millionen Euro eingeplant und im Haushalt verankert. Zum Geld später mehr.
Klar ist: Der Wunsch des Vereins, dass das Stadion bis 2027 komplett umgebaut ist, sollten sich alle Preußen vermutlich von der Backe putzen. Das wird zumindest nach aktueller Lage der Dinge ausgeschlossen sein, darüber zu lamentieren bringt nun auch nichts, die Realität wird sich deswegen nicht ändern.
Ärgerlich ist, dass das Stadion erneut zur Verschiebemasse degradiert werden könnte. Das ist aus Sicht des SCP und der vielen tausend Fans eben das übliche und leidvoll bekannte Spiel, das die Politik spielt. Nachdem die Stadt in der Vergangenheit beklagenswert und trotz völlig verschiedener Rahmenbedingungen an einem Stadionum- oder neubau gescheitert ist, war doch nun endlich ein gangbarer und realistischer Weg gefunden. Konsens herrscht, Vorlagen existieren, alles könnte losgehen. Stattdessen nun wieder dies: Debatten, Zögerlichkeit und ja, auch ein bisschen Wortbruch, wenn man es genau nimmt.
Maximilian Brinkmann-Brand sagt zwar: „Ein Stadion hat aber wichtige soziale Funktionen und Menschen wollen diesen Ort haben, das kann ich gut akzeptieren und respektieren.“ Aber dann schiebt er nach: „Gleichzeitig darf es nicht sein, dass die Allgemeinheit unnötigen Luxus oder Überdimensionierung in Zeiten klammer Kassen finanziert.“
Luxus?
Und darüber müsste man kurz nachdenken dürfen. Luxus oder Überdimensionierung? Das sollte man nicht unwidersprochen lassen. Angenommen sei, dass „Luxus“ u.a. Logen und/oder VIP-Bereiche meint. Gerade die sind für den SCP unverzichtbar, um einen strukturellen Nachteil auszugleichen, der sich in den vergangenen 20 Jahren aufgetan hat. Denn während überall in Deutschland moderne Stadion-Neubauten errichtet wurden, ließ die Stadt Münster ihre städtische Immobilie weitgehend verkommen – das ist ja hinlänglich bekannt. Mit heute 2.800 Sitzplätzen ist das Stadion hoffnungslos veraltet und nicht einmal mehr in der 3. Liga wettbewerbstauglich. Nur weil ein Stadion vom DFB für den Spielbetrieb zugelassen wird, bedeutet das eben nicht, dass es geeignet wäre. Den DFB interessieren vor allem Blocktrennung, Medienarbeitsplätze, Flutlicht und Rasenheizung. Ob ein Verein auskömmlich wirtschaften kann oder wettbewerbsfähig ist, interessiert den Verband dagegen nicht.
Zum Thema Luxus sei zudem gesagt, dass die Politik darauf hingewirkt hat, dass der SCP eben dafür komplett selbst verantwortlich sein wird. Denn sowohl Logen wie auch VIP-Bereiche muss der Klub selbst irgendwie stemmen – während die Erlöse daraus zu Teilen wieder in die Stadtkasse fließen werden. Als Teil der Stadionpacht, die der SCP zahlen muss und die je höher ausfällt, desto höherklassig der SCP spielt. Diesen Teil des Deals sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen.
Zu diesem Luxus-Aspekt würde wohl auch die Südwestecke des Stadions zählen, in der der SCP Büros und Teile des Nachwuchsleistungszentrums bauen möchte. Und für das er sich jüngst Synergieeffekte mit den benachbarten WWU Baskets und dem USC Münster erhofft. Auch dieses Bauwerk geht voll auf Kosten des Vereins, nicht der Steuerzahler. Investoren muss der SCP selbst heranbringen.
Stichwort „Überdimensionierung“: Das künftige Stadion ist für maximal 20.000 Zuschauer ausgelegt und fällt damit tatsächlich kleiner aus als heute. Nicht vergessen: Die aktuelle Kapazität von um die 13.000 Zuschauer besteht ja einzig aus Sicherheitsgründen und Baufälligkeit. In der bis heute vorletzten Zweitliga-Saison durften noch 28.000 Zuschauer ins Stadion, ab 1990 immerhin noch rund 21.000 Fans. Erst seit Sperrung der Westkurve sank die Kapazität auf rund 15.000, dann weiter auf 14.300 und jetzt – nach dem Abriss der Westkurve – auf rund 13.000 Fans. In der aktuellen 3. Liga, in der auch zahlreiche „Dorfklubs“ und zwei Zweitvertretungen spielen, würde der SCP mit einem 20.000er-Stadion immerhin im gehobenen Mittelfeld rangieren, in der 2. Bundesliga würde der SCP eines der kleinen Stadien stellen. Das ordnet das Wort „Überdimensionierung“ wohl etwas korrekter ein.
„Sollen sie doch eins bauen“
Dass so eine Twitter-Umfrage so kurz vor der Ratssitzung immer politisch ist, liegt auf der Hand. Und manche der Kommentare fallen ebenso erwartbar aus. Warum so viel Geld für die Modernisierung einer „funktionierenden Sportstätte“ auszugeben sei, frag da einer, der die Stadionwelt Deutschlands und die Anforderungen der DFL (oder des DFB) möglicherweise nicht so gut kennt.
Vergleichsweise eher verzweifeln dürften Preußen bei diesem Kommentar: „Wenn der SCP meint, für den Erfolg ein größeres Stadion zu brauchen, soll er sich eins bauen“, heißt es auf Twitter. Und das hat zumindest das Zeug zum Treppenwitz. Denn genau das, „sich eins bauen“, war Ziel der Preußen 2016. Doch weder wollte die Politik dafür einen Standort ermitteln, nicht einmal einen suchen, der vom Klub bezahlt worden wäre. Noch wollte sie, dass der SCP in Bösensell baut. Dass der SCP am Ende dennoch leidlich glücklich aus der Sache rausgehen könnte, liegt daran, dass er so zu seinem Glück gezwungen wurde. Die Hammer Straße war und bleibt die Heimat des SCP, da werden die meisten Fans sicher mitgehen.
Ob nun die Kosten „aus dem Ruder laufen“, wie es zu hören ist? Fakt ist: Schon die erste Studie für den Umbau zeigte deutlich an, dass mit 40 Millionen Euro kein Stadion zu bauen sein würde. Zumal die Stadt Münster im Unterschied zu anderen Stadionprojekten zahlreiche Extrawünsche untergebracht hatte, die den Gesamtpreis erheblich erhöhen. Die Mobilitätsstation beispielsweise (die dem Vernehmen nach nun ein bisschen abseits des Stadionumbaus bewertet wird), aber auch die hohen Anforderungen an Nachhaltigkeit. Beides Punkte, die unbedingt wichtig sind, die aber eben zu den Gesamtkosten beitragen.
Dass 40 Millionen Euro nicht reichen würden, war von Beginn an klar. Die Zahl sei „gegriffen“, hieß es ja schon damals in der Politik. Schlichtweg geraten, heißt das übersetzt. Grob orientiert am Umbau in Darmstadt. Ganz nebenbei: Schon im Sommer 2020 waren die Kosten in Darmstadt auf deutlich über 46 Millionen Euro gestiegen…
Netto oder brutto? Und was?
Und nun kommt in Münster eine Besonderheit hinzu. Es ist unklar, ob der ganze Umbau netto oder brutto zu berechnen ist. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Mehrwertsteuer abgezogen werden kann, damit also netto bezahlt würde. Und der Endpreis macht da schon einen erheblichen Unterschied. Aus Sicht von Teilen der Politik könnte dies der Knackpunkt sein: Kann man im Rat entscheiden, wenn diese Frage unbeantwortet ist?
Da nun einigermaßen klar ist, dass aus der verfügbaren Summe nicht sofort alles erledigt werden kann, wird es um weitere Fragen gehen:
Was baut der SCP zuerst? Aus Sicht der Adler wäre sicher die Nordtribüne (aka Gegengerade) wichtig. Dort wäre Geld zu verdienen, das der SCP dringend erwirtschaften muss. Das geht nicht mit West oder Ost. Wenn also das verfügbare Geld verbaut werden soll, dann vermutlich eher dort.
Klar dürfte auch sein: Mit sportlichem Erfolg, beispielsweise einem Aufstieg, würde auch der Druck steigen, das Stadion schneller fertigzustellen.
Dass ein Ja zum Umbau derzeit mit Zähneknirschen erfolgt, ist klar. Aus Sicht des SCP müsste man aber einwenden, dass das Stadion über 30, 40 Jahre immer wieder in Frage gestellt wurde, ganz gleich, in welcher Form der SCP nun sportlich antrat. Es wurde nichts, als der SCP kurz vor Zweitliga-Aufstieg stand, es wurde nie etwas. Den „Preußen-Park“ verbockte die Stadt Münster im Alleingang, die tragische Standortsuche mit dem Ergebnis Nieberdingstraße war ein Offenbarungseid.
Jetzt endlich ist zum ersten Mal ein realistischer Weg aufgezeichnet, ein pragmatischer Ansatz gefunden. Und jetzt darf es einfach nicht schon wieder „verkackt“ werden. Denn ein Stadion gehört zum kulturellen Angebot einer Stadt einfach dazu, das lässt sich nicht durch Fußball-Feinde in Abrede stellen. Wie das Stadttheater spielt auch der SCP eine Rolle in der (Kultur-)Landschaft der Stadt. Mit seiner Jugendarbeit, mit begleitenden Projekten wie dem FANport, mit Präsenz in Schulpartnerschaften. Welches andere Angebot in der Stadt zieht mindestens zwei-wöchentlich tausende von Menschen an? Man muss Fußball als Sport mit manchen Begleiterscheinungen nicht mögen – und der Champions-League-Fußball oder die FIFA-Raffkes tun alles, um den Fußball in Misskredit zu bringen – aber dass der Sport unendlich viele Menschen bewegt und zusammenbringt, müsste außer Frage stehen. Wer das abtut, macht es sich zu einfach oder will sich einfach nicht mit dem Thema beschäftigen.
Die SPD lädt am Freitag, 2. September zu einem Gesprächsabend in Sachen Stadion ein. Los geht es um 16.30 Uhr in den Räumen der SPD an der Bahnhofsstraße. Die Teilnahme ist natürlich kostenlos, eine Anmeldung ist erwünscht.