Antrag: „X“ ist keine Plattform mehr für Preußen Münster
Mitglieder des SC Preußen Münster haben eine Initiative gestartet, damit der SCP seine Präsenz auf Elon Musks Plattform „X“ beendet. Darüber soll die JHV im Januar entscheiden. Das einstige „Twitter“ sei zu einer Hassplattform verkommen und stehe in krassem Widerspruch zum Leitbild des Klubs. Zufall oder nicht: Gerade haben 60 deutsche Unis, darunter auch die in Münster, ihren Abschied angekündigt. Und auch Arminia Bielefeld …
Twitter war mal diese Plattform für Albernheiten und Katzen-Bildchen. Ein bisschen anarchisch war es und auch etwas für kleine freundliche Bubbles. Irgendwann wurde es eine Plattform, die vor allem für Journalisten und Medien im Allgemeinen eine Art Sehnsuchtsort wurde – weil man darin unmittelbar und schnell erfuhr, was gerade los war. Dann zogen Trolle und Bots ein, dann Elon Musk. Jetzt heißt Twitter „X“ und wer sich dort noch bewegt, tut dies in der Gesellschaft von Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremen und Volksverhetzern. Wer kann, sollte „X“ verlassen – und so tun es nun immer mehr.
Vielleicht ist es das natürliche Schicksal von Social-Media-Plattformen: Sobald eine kritische Masse erreicht ist, kommen die Bots und die Trolle und übernehmen die Führung und zerstören ganz beiläufig gesellschaftliche und politische Debatten. In den vergangenen zwei Jahren erfuhr Twitter, wie schnell das gehen kann. Nach der Übernahme durch Elon Musk wurde in einem ersten Streich das gesamte Moderationsteam aufgelöst, gleichzeitig aber die zuvor sinnvollerweise gesperrten Accounts von Verschwörungstheoretikern und Populisten wieder aktiviert. Twitters Versuche, Ordnung zu schaffen, wirkten schon vor Musks Übernahme etwas hilflos. Wirklich ruiniert wurde Twitter aber erst durch Musk. Der war früher nur ein verschrobener Unternehmer und Mitgründer des Bezahldienstes Paypal. Der machte ihn reich, später superreich. Mit Tesla wirbelte Musk dann den Markt der E-Mobilität so durch wie Apple einst den leblosen Tablet-Markt mit dem iPad. Und weil die Erde bereits zu klein ist, will Musk jetzt irgendetwas auf dem Mars. Ein Visionär. Oder ein Spinner mit zu viel Geld?
Der Musk von heute ist – soviel lässt sich sicher sagen – ein brandgefährlicher Mann. Ein Mann mit zu viel Geld, mit einer Inselbegabung, aber ohne die Fähigkeit der Differenzierung. Empathielos. Gleichgültig. Einer, der im Namen der Meinungsfreiheit jede absurde Behauptung nachplappert und seine Plattform unverhohlen zum Wahlkampfvehikel umbaut. Mit seinen Angriffen untergräbt er bewusst das Vertrauen in Medien, stattdessen seien nun die „X“-Nutzer „die Medien“. Faktenchecking? Recherche? Spielt keine Rolle mehr.
PreußenJournal hat seinen Account auf „X“ bereits stillgelegt. News gibt es bei Bluesky.
Seit einiger Zeit ist Musk täglich stundenlang damit beschäftigt, Lügenmärchen zu verbreiten. Den Vogel – aus deutscher Sicht – schoss er ab, als er unverhohlen erklärte, nur die AfD könne Deutschland retten. Ausgerechnet eine Partei aus Faschisten, Rechtsextremen, Schwurblern. Eine Partie, die in Deutschland zu Recht beobachtet wird, die in einigen Bundesländern bereits als „gesichert rechtsextrem“ gilt. Die Münsteraner Rechtsextremistin Naomi Seibt (lebt mittlerweile in den USA) gehört neuerdings zu Musks Kuschelkreis. Wie die neue Medienwelt aussehen soll, erfuhren staunende Beobachter gerade, als Alice Weidel zum „Talk“ eingeladen war und dort Dinge behaupten durfte wie beispielsweise, dass Adolf Hitler doch Kommunist gewesen sei. Masken während der Corona-Zeit seien „Bluff und Betrug“ gewesen – das ganze Arsenal von Querdenker-Unsinn eben. Ungefilterte Parolen, hemmungslos.
Auch Arminia Bielefeld ist weg
Auf „X“ zu sein und damit das Musk-Spielzeug zu bedienen, scheint einfach nicht mehr angezeigt. Man sollte das nicht mehr tun. Werder Bremen, Mainz 05 oder der FC St. Pauli haben bereits gehandelt. Ganz aktuell entschied sich Arminia Bielefeld dazu, seine Aktivitäten auf „X“ einzustellen. Viel bedeutsamer als der Abschied von Fußballklubs scheint zu sein, dass am Freitag mehr als 60 (!) Fachhochschulen und Universitäten aus Deutschland in einem gemeinsamen Schritt öffentlich machten, „X“ nicht mehr zu nutzen. Darunter auch die Uni Münster. „Die Werte, die Vielfalt, Freiheit und Wissenschaft fördern, sind auf der Plattform nicht mehr gegeben“, heißt es in der Erklärung der Unis.
Das könnte sich langsam auch der SC Preußen Münster mal überlegen. Zuletzt hatte der Klub einen Abschied von „X“ noch ausgeschlossen – für den Moment. Man wolle die Entwicklung beobachten. Rund 30.000 Accounts folgen dem SCP auf Musks Plattform, natürlich eine relevante Zahl. Keine, die man leichtfertig aufgibt – zumal die Fußballwelt auf „X“ leidlich in Ordnung scheint. Solange man im kleinen Online-Zimmerchen unter sich ist und keinen Schritt vor die Tür wagt, passt das auch.
Das Problem offenbart sich aber außerhalb davon. Sein hübsches Zimmer hat der SCP in einem Schandfleck gemietet, in einem Schrotthaus, dessen Eigentümer alles dafür tut, die Anlage weiter zu ruinieren.
Der SC Preußen ist hier nicht allein, er ist noch in allerbester Gesellschaft. Ein spürbarer Exodus der Fußballklubs ist trotz einzelner Schritte (noch) nicht in Sicht, viele mögen sich offenbar nicht von der lieb gewonnenen Reichweite trennen – oder sehen gar keine Notwendigkeit. Solle man aber!
Es ist der falsche Weg, Musks Hassplattform durch Wegschauen und Vermeidung zu unterstützen. Preußen Münster sollte sich dort verabschieden. Marc Zuckerbergs Meta ist nicht der Himmel – zumal Meta gerade auch durch die weitgehende Abschaffung einer Moderation Grenzen geöffnet hat für populistische Inhalte. Der Unterschied zu „X“ ist aber noch augenfällig, denn Zuckerberg öffnet nicht vorsätzlich und öffentlich der rechten Szene alle Türen und Tore. Zur Wahrheit gehört, dass auch das Meta-Universum kein freundlicher Ort mehr ist, aber der Plattform fehlt die Unmittelbarkeit, die Heftigkeit des Augenblicks und auch einfach die große Öffentlichkeit.
Antrag zur JHV
Ende vergangener Woche bekam die ganze Debatte überraschend mehr Druck. Über „Bluesky“, wo sich längst ein harter Kern von Fans aus dem Preußenumfeld bewegt, entstand die Initiative, zur JHV der Preußen einen Antrag einzureichen. Elf Unterzeichner reichten diesen Antrag ein, der Initiator, der lieber ungenannt bleiben möchte, erläuterte im Gespräch mit preussenjournal.de seine Motivation: Auf „X“ würden Grenzen überschritten, so dass es moralisch geboten sei, diese Plattform nicht noch zusätzlich zu unterstützen. Das gelte privat wie auch für den Verein als Ganzes. Der Antrag, „X“ zu verlassen, sei nun auch ein Lackmustest für das Leitbild.
Und so heißt es im Antrag: Der SCP möge sich schnell von „X“ verabschieden – entscheiden sollen darüber die Mitglieder des Vereins. Auf dem Papier simpel, formal etwas komplexer. Denn der „X“-Account ist dem Profibereich des SCP zuzuordnen, also der KGaA. Und die JHV ist die des eingetragenen Vereins. Letztlich kann das aber nicht das Argument sein. Auch hinter der KGaA steckt schließlich Preußen Münster, viele der gewählten Personen im Verein haben Ämter in der KGaA. Ein Mitgliederwille im Verein wird immer Einfluss haben auf das Handeln der KGaA – schließlich haben die Vereinsmitglieder ja auch darüber bestimmt, welche Satzung die KGaA erhalten soll. Jetzt beides künstlich trennen zu wollen, scheint unangebracht. Und so liest sich nun auch der Antrag, der fristgerecht eingegangen ist. Darin heißt es unter anderem:
„Die Mitgliederversammlung möge beschließen, dass der SC Preußen Münster sich im Rahmen seiner digitalen Präsenz ausdrücklich zu seinem Leitbild bekennt, das die Werte Respekt, Offenheit, Solidarität und Vielfalt vorlebt. Vor diesem Hintergrund fordert der eingetragene Verein die KGaA auf, die digitale Präsenz des SC Preußen Münster auf der Plattform X (vormals Twitter) stillzulegen, da diese Plattform zunehmend Inhalte und Strukturen fördert, die in eklatantem Widerspruch zu den Werten des Vereinsleitbilds stehen.“
Der SCP möge, so heißt es weiter, seine Aktivitäten auf einer „alternativen Kurznachrichtenplattform“ fortzusetzen. Die Alternative selbst soll sich der SCP nun aussuchen – aber natürlich geht es hier um Bluesky, wohin ja auch andere Klubs und Einrichtungen längst abgewandert sind. Dass der Antrag etwas weniger „drastisch“ formuliert ist, liegt auch an Präsidiums-Mitglied Burkhard Brüx, der im Austausch mit dem Initiator steht und dafür warb, den Antrag so zu formulieren, dass er zunächst niedrigschwellig mit „Ja“ zu beantworten wäre. „Es ist aber wichtig, über das Thema zu diskutieren und auch eine Haltung dazu zu entwickeln“, so sein Ansatz.
Nun soll der SCP sozusagen zu seinem Glück gezwungen werden. Es ist an der Zeit. Das noch frische Leitbild könnte hier einem Praxistest unterzogen werden – Reichweite oder Haltung.