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Prinzip Verzweiflung

Prinzip Verzweiflung
Ole Kittner.

Fast waren sie vergessen, die Zeiten der ständigen Trainerwechsel beim SC Preußen Münster. Fünfeinhalb Jahre lang herrschte Ruhe im Klub, Konstanz war angesagt. Jetzt kommt die Freistellung von Sascha Hildmann und seinem Team wie ein Tiefschlag. Wenn man die Trennung wollte, dann ist der richtige Zeitpunkt aber eigentlich schon verpasst.

Loose, Steffen, Möhlmann, Antwerpen, Hübscher, dazu die Interimstrainer Tasdelen und Barez. Da war ganz schön viel Bewegung drin beim SCP zwischen 2015 und 2020. Fünf Jahre, fünf Trainer. Die zweite Hälfte dieser Dekade gehörte dann Sascha Hildmann, es war fast eine Ära. Vieles passte in dieser Zeit seit 2020 zusammen, Peter Niemeyer als kongenialer Denker, Sascha Hildmann als emotionale Lenker. Ein Duo, das durchaus Zeit brauchte, um sich einzuschwingen, das aber dann gemeinsam mit ihren Unterschiedlickeiten Erfolge feierte. Das „Alle zusammen für Preußen Münster“ war und ist fest verankert in den Köpfen und ist längst mehr als ein pflichtschuldiges Ritual. Es ist mehr eine Selbstversicherung, dass der neue SC Preußen auch erfolgreich sein kann. So etwas zu verankern, dauert Zeit und es braucht dafür auch Überzeugung. Und die muss man sich vor allem in schwierigen Phasen erarbeiten.

Es gab diese schwierigen Phasen durchaus in den vergangenen fünf Jahren. Das ist vielleicht etwas untergegangen im anschließenden Dauerjubel – aber nicht immer lief sportlich alles komplett rund. Auch nicht in der Drittliga-Saison 2023/2024, die in einer Sensation mündete. Da wackelte anfangs doch manches und erst mit der irren Serie in der Rückrunde schaffte die Mannschaft etwas Außergewöhnliches.

Ball flach gehalten

Und vor Saisonbeginn hielt der SC Preußen den Ball ganz, ganz flach. Man wolle in der 2. Bundesliga nicht einfach nur als Tourist dabei sein, formulierten alle vor dem Saisonstart. Der Anspruch war und ist schon, die Klasse zu halten. Und genau da sind zuletzt die Zweifel offensichtlich größer geworden. Wie man jetzt hört, gab es schon seit längerer Zeit unterschiedliche Einschätzungen. Nein, da war keine Revolte, da war kein Drama. Der SC Preußen liegt nicht in Trümmern. Es gab nur abweichende Sichtweisen über den Weg.

Dieser Weg soll(te) zum Klassenerhalt führen, aber die Kurve beim SCP zeigte zuletzt deutlich nach unten – gemessen an der Punkteausbeute im Vergleich zur direkten Konkurrenz. Und nur auf Punkte kommt es an. Sascha Hildmann wollte am Samstag die Ergebnisse nicht in den Fokus rücken, sondern eher die Mannschaftsleistung. Das ist fair und gut, aber für den Klassenerhalt braucht es nur Ergebnisse, nichts anderes. Und da passte immer weniger zusammen. Ja, das ist ungerecht, weil der SCP so oft so nah dran war. Nuancen fehlten. Das Glück fehlte. Latte, Pfosten, VAR. Das ist alles richtig, aber nur auf einen Lucky Punch zu warten, ist eben auch kein nachhaltiger Weg.

Worum es geht, ist simpel. Lieber gleich in der 2. Bundesliga bleiben, statt nach einem Abstieg neu aufzubauen. Alle beim SC Preußen hatten vor der Saison immer wieder gesagt, wie schwer die Aufgabe werden würde. Dass es bis zum letzten Spieltag dauern werde. Und es gilt weiterhin, was Trainer Sascha Hildmann auch nach dem Spiel gegen Köln noch sagte: Einen Relegationsplatz hätten vor der Saison alle unterschrieben. Jetzt steht der SCP nur noch auf Platz 17.

Meinungswechsel binnen Stunden, oder ..?

Die Trennung erfolgte nur wenige Stunden, nachdem alle Beteiligten noch den Einsatz der Mannschaft hervorgehoben hatten, Sascha Hildmann den Charakter der Mannschaft gelobt hatte und auch Sportchef Ole Kittner noch beschrieben hatte, wie gut es sei, dass man mittendrin stecke im Geschehen. Und nur wenige Tage nach einem klaren Statement aus dem Aufsichtsrat, dass eine Trainerentlassung keinesfalls zur Debatte stehe.

Dass aus einer zumindest nach außen getragenen Überzeugung, den Weg gemeinsam zu gehen, binnen weniger Stunden das Gegenteil wurde, war wohl für Beobachter überraschend, nicht aber für den Klub selbst. So sind auch die Aussagen von Ole Kittner zu deuten, der im Interview mit den „Westfälischen Nachrichten“ zugab, dass die Entscheidung nach außen schwer vermittelbar sei. Da schwang schon deutlich eine längere Vorgeschichte mit. Das kam sicher nicht so überraschend, soviel lässt sich nun sagen.

Zwei Dinge muss man jetzt unterstellen: Wenn der Trainerwechsel eine Wirkung entfachen soll, muss jetzt sofort eine Trainerlösung her. Kann es eine interne Kurzzeit-Lösung sein, die etwas von Übergang hätte? Oder müsste es nicht gleich eine externe Lösung sein, die wirklich einen neuen Reiz mit sich bringt? Und wer müsste das sein? Vermutlich ein Trainer, der bereits Erfahrung mitbringt, der aber nötigenfalls auch einen Neustart in der 3. Liga mitgehen würde. Freie Trainer gibt es reichlich, beim SCP dürfte seit Sonntagmorgen das Telefon dauerhaft klingeln. Mit Interesse werden viele in Münster verfolgt haben, wie Marco Antwerpen in Osnabrück einen potenziellen Absteiger binnen weniger Wochen zu einem der erfolgreichsten Teams der 3. Liga machte. So etwas wäre jetzt gut. Aber ein bisschen Wunderglaube schwingt da schon mit.

Umso mehr ist die Frage, woher denn die „neuen Kräfte“ jetzt kommen sollen, auf die der Verein in seiner Mitteilung am Sonntag hoffte. Können sie aus dem Kader kommen? Dessen Einsatz – siehe oben – steht nicht zur Debatte. Die Frage nach der grundsätzlichen Zweitligatauglichkeit der Mannschaft schon eher. Wenn es immer nur knapp zum Mithalten reicht, ist das eben ein Zeichen fehlender Qualität. Man könnte vermuten, dass die Mannschaft unter Sascha Hildmann ihr Maximum rausgeholt hat.

Für ein paar Prozente mehr soll (oder muss) jetzt offensichtlich ein neuer Trainer sorgen. Ein bisschen Verzweiflung schwingt da mit. Denn drei Spieltage vor Schluss der Runde den Trainer rauszuwerfen, ist doch eigentlich zu spät. 270 Minuten und drei Wochen noch. Plus vielleicht zwei Endspiele in der Relegation. Da ist kaum Zeit zu reagieren. Und selbst mit dem Engagement aus dem Darmstadt-Spiel wirkt es derzeit eher unwahrscheinlich, dass Magdeburg oder Hertha Punktelieferanten oder „Aufbaugegner“ sein könnten… Ob es in Ulm überhaupt noch ein Endspiel gibt?

Derzeit sieht es eher danach aus, als würde der Abstieg näherrücken. Die Durchhalteparolen klingen verdächtig nach 2020. Aber wenn man schon länger ahnte oder sogar wusste, dass es ein Problem gibt, hätte man dieses Problem früher adressieren müssen. Zuzuschauen, wie die Dinge schlechter werden, ohne zu handeln, war der falsche Weg. Das nennt man in der Wirtschaft Insolvenzverschleppung.

So oder so. Kein guter Tag für Preußen Münster.

3 thoughts on “Prinzip Verzweiflung

  1. Gute Gesamteinschätzung, danke!

    Insbesondere für: „Aber wenn man schon länger ahnte oder sogar wusste, dass es ein Problem gibt, hätte man dieses Problem früher adressieren müssen. Zuzuschauen, wie die Dinge schlechter werden, ohne zu handeln, war der falsche Weg. Das nennt man in der Wirtschaft Insolvenzverschleppung.“

    Die letzten SCP-Wochen erinnerten mich mehr und mehr an das Märchen DES KAISERS NEUE KLEIDER…denn die Angst vor (Selbst-)Kritik bildet die Grundlage für Selbsttäuschung und zeigt, dass Erkenntnis oft in der Einfachheit der Wahrheit liegt. Wir standen schon länger nackt da…

    1. Dem kann ich mich nur anschließen, jetzt stellt sich nur die Frage, wie ziehen die Verantwortlichen den Karren aus dem Dreck?
      Kaiserslautern zum Beispiel hat wohl gerade die Kurve gekriegt. Hoffentlich gelingt es den Preußen auch, irgendwie …

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