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Augen auf und durch – was wäre die Alternative?

Augen auf und durch – was wäre die Alternative?
Fans des SC Preußen Münster in Köln.

Es ist aufschlussreich, nach der Niederlage in Köln die Stimmung zu verfolgen. Medien, Fans im Stadion, Social Media. Es ist ein gewaltiger Haufen von Meinungen, Durchhalteparolen, Ärger und Wut. Alles irgendwie erwartbar, der SC Preußen Münster unterscheidet sich in der Rezeption seiner sportlichen Abwärtsspirale nicht von anderen Klubs. Trotzdem geht gerade bei der ständigen Erregung und der Forderung nach „Arsch zusammenreißen“ genau der wichtige Fokus verloren. Ein Kommentar.

Schlaue Sprüche und derbe Beleidigungen bekommt der SC Preußen derzeit gratis und reichlich. Wer sich in den Preußen-Gruppen auf Facebook tummelt, bekommt das kalte Grausen. Was da an Wut über Spielern, Trainer und auch Sportchef Kittner ausgekübelt wird, ist schwer erträglich. Und Sachkenntnis ist nicht gefragt. Da wird der Trainer beschimpft dafür, Lukas Frenkert nicht aufzustellen. Dabei fehlte der jüngst mit einem Faserriss, in Elversberg mit einem grippalen Effekt, zuvor in Hannover wegen einer Gelbsperre. Da ging der Flow etwas verloren. Ist das eine Überraschung bei einem jungen Spieler, der im vergangenen Jahr noch in der vierten Liga kickte und sich dennoch in die 2. Bundesliga katapultierte? Wie wertvoll ist die Meinung von Leuten, die nicht einmal diese simplen Themen verstehen?

Alles in einen Topf

Alles wird jetzt in einen großen Topf gekippt, kräftig gerührt. Beschimpft werden einzelne Spieler als Versager, als Nichtskönner. Florian Pick? Schlimm, raus. Daniel Kinsombi? Bringt nichts. Überhaupt waren die Wintertransfers ganz schlimm. András Neméth? Der kann nichts, weg mit dem! Okay, ohne ihn läuft’s auch nicht besser, aber wen schert es?

Niemand ist sicher vor den Rundumschlägen des Facebook-Mobs. Und auch wer derzeit als Preußenfan das Vergnügen hat, private Diskussionen über den SCP und dessen Lage zu führen, dürfte das kennen. Es wird immer schlimmer.

In krassem Widerspruch steht die Stimmung im Stadion – oder im Gästeblock wie zuletzt in Köln. Von dort gibt es weiterhin bedingungslose Unterstützung, weil der Mannschaft das Bemühen nicht abzusprechen ist. Das Gefühl derzeit ist allerdings: Es reicht nicht. Vieles deutet darauf hin, dass der SCP sein Ziel Klassenerhalt verfehlt, so ehrlich darf man natürlich sein. Längst ist das sogenannte „Momentum“ gegen den SCP gekippt. Und man fragt sich nicht erst seit Köln, wer beim SCP überhaupt noch ein Tor schießen soll. Der Offensivausfall ist brutal, seit Wochen und Monaten schon. Gerade die jüngsten Partien lieferten wenig Argumente für Optimismus. Die individuelle Qualität reicht nicht. Die verschenkte Punkte – schlimm. Sollte es zum Abstieg kommen, hätte sich der SCP ganz allein ein Beinchen gestellt – und dann wäre es gut, die Fehler und auch die Fehleinschätzungen aufzuarbeiten. Aber nicht vier Spieltage vor Schluss.

Aufstiegstrainer im Visier

Längst im Fokus der Kritiker steht auch Trainer Sascha Hildmann. Der stelle die falschen Spieler auf, lasse die richtigen draußen, reagiere nicht auf die Taktik des Gegners – man mag sich aussuchen, was einem alles missfällt. Ole Kittner ist dran, weil er Joel Grodowski verhökert habe – der zwar in der Hinrunde reichlich Einsatzzeiten bekam, die er aber nie nachhaltig nutzte, um sich unverzichtbar zu machen. Und Grodowski wollte unbedingt weg, wollte sich nicht durchbeißen beim SCP. Die Preußen wollten ihn halten, aber einen Spieler, der nicht bereit ist, zu kämpfen, muss man eben auch nicht halten. Sein Wechsel nach Bielefeld war für ihn persönlich angenehm, sein Denkmal in Münster bekam allerdings Kratzer. Kann man alles zur Kenntnis nehmen, wird aber dennoch verwendet, um gegen den SCP zu schießen.

Und jetzt gibt’s gute Ratschläge von allen Seiten. In der Tageszeitung ist in einem Kommentar die Rede davon, dass nun jene Spieler identifiziert werden müssten, die sich für den SCP zerreißen wollen. Und dass man nun Reibung statt Harmonie brauche. Aber wer diese Spieler konkret sein könnten oder welche Art von Reibung hier gemeint sein könnte, wird nicht verraten. So bleibt’s bei Plattitüden.

Das ganze Theater von außen basiert auf einem einfachen Mechanismus: Die Zeit ist fast abgelaufen. Bisher konnte man sich damit beruhigen, dass noch Zeit sei. Jetzt sind es nur noch vier Spiele und der Abstieg wird konkreter. Das macht hilflos. Und Hilflosigkeit sorgt immer dafür, Schuldige zu suchen. Einfache Antworten auf komplexe Probleme zu finden. Hildmann ist Schuld. Neméth ist Schuld. Makridis, Pick, Kinsombi. Taktische Fehler, Nichtskönner, Versager. Alles in einen Topf.

Den Stress, nichts tun zu können, muss man aber aushalten. Jetzt müssen alle tief durchatmen. Für hektische Änderungen ist keine Zeit mehr, jetzt geht es nur darum, sich zu sammeln und genau das zu tun, was man sich vor Beginn der Saison versprochen hat: Alle zusammen für Preußen Münster. Alles andere, das ganze Gekreische und Gemotze verhindert genau das. Wer Unruhe reinbringt, trägt zur Unruhe bei.

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