Die Debatte um Glücksspielanbieter im Fußball

In der Saison 2019/2020 trug der SC Preußen Münster das Logo des Glücksspielanbieters Sunmaker auf seiner Trikotbrust. Für den SCP war es damals der schnelle Ausweg, nachdem sich Ex-Aufsichtsratschef Thomas Bäumer mit seinem damaligen Unternehmen Tuja verabschiedet hatte. Dass die Preußen am Ende der Saison in die Viertklassigkeit abstiegen, hatte nichts mit Sunmaker zu tun, aber irgendwie passt der Abstieg zum Gefühl, dass man unwillkürlich spürt, wenn man sich mit der Schmuddelbranche Glücksspiel beschäftigt.
Bwin, Tipico, Sunmaker, Betway, Oddset – das sind nur einige der vielen Glücksspielanbieter, die in Deutschland aktiv sind. Die Betonung liegt hier auf „aktiv“, denn viele dieser Anbieter agieren ja gar nicht von Deutschland aus, sondern nutzen beispielsweise die Inselgruppe Malta, in denen die Regulierung locker ist, um das mal vorsichtig zu formulieren. Die Vergabe von Lizenzen für Online-Glücksspiel ist eher eine Formsache. Zudem werden diese Unternehmen auf Malta mit erheblich niedrigeren Steuern belastet.
Erlaubt nur mit Konzession
In Deutschland dürfen Glücksspielanbieter nur dann aktiv sein, wenn sie explizit über eine Konzession für den deutschen Markt verfügen. Sie wird erteilt von der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL), die seit 2021 im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages gebildet wurde und ihren Sitz in Halle an der Saale hat. „Zentrale Aufgabe der GGL ist es, den deutschen Online-Glücksspielmarkt zu regulieren, indem sie länderübergreifende Glücksspielangebote im Internet prüft und genehmigt und dafür sorgt, dass die erlaubten Glücksspielanbieter die Regeln zum Schutz der Spielenden vor Spielsucht und Manipulation einhalten. Zudem bekämpft sie illegale Glücksspielangebote und die Werbung dafür“, heißt es in der Beschreibung der GGL. Die Behörde veröffentlicht auch die sogenannte Whitelist, in der alle Veranstalter oder Vermittler von Glücksspielen aufgeführt sind. Rund 180 sind das derzeit – und neben den bekannten Sportwettenportalen finden sich hier auch die Sparkassen, die Aktion Mensch (für Soziallotterien) oder die Lottogesellschaften in den deutschen Bundesländern. Und eben Tipico, Bwin und Co.
Was für ein Markt das Glücksspiel ist, zeigen die Zahlen, die die GGL regelmäßig veröffentlicht. Die Spieleinsätze für die Angebote zwischen Pferdewetten, Automatenspiele bis zu Sportwetten beliefen sich auf rund 3,5 Milliarden Euro – nur im ersten Quartal 2025!
Volkssport Wette
Fußballfans werden ein Lied davon singen können. Der Markt mit Fußballwetten ist längst ein Volkssport geworden. Keine Spielankündigung beim „Kicker“ kommt ohne einen direkten Link zum Wettportal aus. Die Quoten vor den Partien verlocken zum schnellen Einsatz, Livewetten während laufender Spiele auf das nächste Tor, die nächste Verwarnung und vieles mehr – all das birgt extrem hohe Suchtgefahr. Und genau diese scheinbar einfachen Tipps auf alles sind ein weiteres Problem. Mit Fußball kennen wir uns ja alle aus, oder?
Dass Glücksspiel und Fußball die denkbar ungünstigste Verbindung ist, weiß Fußball-Deutschland nicht erst seit dem Fall Hoyzer. Und niemand ist gefeit vor der Sucht, die bei Sportwetten entsteht. Es ist erst ein paar Jahre her, seit Sportreporter-Legende Werner Hansch sich öffentlich machte mit seiner Spielsucht – oder eher: dazu gezwungen wurde, weil eine Klage öffentlich wurde. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hatte Hansch Geld geliehen, dieses Geld aber nicht zurückerhalten. Am Ende reichte Bosbach Klage ein, die 2020 mit einer Bewährungsstrafe für Hansch endete. Hansch selbst hatte in der Folge wiederholt geschildert, wie er sich mit allerlei Lügen und Ausreden Geld erschwindelt hatte, um seine Spielsucht auszuleben.
Hintergrund
Sportschau: Sportwetten und Profifußball – „Glaubwürdigkeit des DFB ist untergraben“
Sportschau: Spielergewerkschaft fordert Ende von Glücksspielwerbung
ARD: Spielverderber – wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren
Deutschlandfunk Kultur: Ein Verzicht auf Sportwettenwerbung ist die beste Prävention
Deutschlandfunk: Warum Fußballer so anfällig für Spielsucht sind
Ein Markt, der so ein hohes Suchtpotenzial besitzt, muss zwingend mit Argwohn betrachtet werden. Längst sind Manipulationen an der Tagesordnung, mittlerweile sogar im Amateursport, der nicht ganz so im öffentlichen Fokus steht und in dem Manipulationen als unauffälliger gelten.
Natürlich gibt es längst Monitoring-Plattformen, also Kontrollstellen wie Sportradar oder das GLMS (Global Lottery Monitoring System), bei denen der Verdacht auf Manipulationen gemeldet werden kann. Zuletzt sorgte beispielsweise das DFB-Pokalspiel zwischen Hemelingen und Wolfsburg für erhöhte Aufmerksamkeit: Ungewöhnliche Quoten und auffällige Wettbewegungen erregten Verdacht, am Ende führten die Ermittlungen von DFB und BKA allerdings nicht zu Ergebnissen. Das Spiel sei regulär verlaufen, hieß es.
Die Meldeportale liegen allerdings im ureigenen Interesse der Wettanbieter, schließlich wären sie im Fall der Fälle ja auch die Geschädigten (und neben ihnen wiederum auch alle Wettteilnehmer, die ja im Vertrauen auf ein sauberes Spiel wetten). Die Kontrolle hilft letztlich aber nur den Anbietern und Vermittlern, tut aber nichts für die Prävention.
Doppelbödiger DFB
Vor wenigen Tagen fand der bundesweite Aktionstag gegen Glücksspielsucht statt. Und diesmal gab es auch eine öffentliche Reaktion der Spielergewerkschaft VDV. Die schrieb dem Deutschen Fußball-Bund: „Glücksspielsucht ist leider zu einem Massenphänomen geworden; sie führt zur Verarmung und ist der Nährboden für Beschaffungskriminalität. Im Fußball gibt es bekannte Fälle, bei denen Spieler im Zusammenhang mit einer Glücksspielsucht Spiel- und Wettmanipulation begangen haben. Von Sportwetten geht bekanntlich eine besonders hohe Suchtgefahr aus. Durch die omnipräsente Werbung werden schon Kinder und Jugendliche getriggert“, so VDV-Vizepräsident Maik Franz. Und weiter: „Es kann nicht sein, dass der DFB in seiner Satzung die ‚Unterstützung einer wirksamen Suchtprävention‘ als Ziel ausgibt und gleichzeitig in exorbitantem Maß Werbeflächen für Sportwettenanbieter verkauft. Der DFB schadet damit dem gesellschaftlichen Ansehen des Fußballs und bereichert sich auf Kosten glücksspielsüchtiger Menschen und derer Familie.“
Das ist genau das Problem: Der Markt ist lukrativ für Verbände und Klubs, schließlich fließt viel Sponsorengeld in den Sport und den Fußball vor allem. Ein Beweis? Erst im Mai rückte Tipico für drei Spielzeiten als „neuer Hauptpartner der 3. Liga“ auf. „Tipico und der DFB weiten ihre Zusammenarbeit aus. Nach dem DFB-Pokal der Frauen und Männer wird Tipico als führender deutscher Sportwettenanbieter auch Partner der 3. Liga. Die Vereinbarung tritt mit Beginn der neuen Saison ab 1. Juli in Kraft und umfasst in der 3. Liga eine Laufzeit von drei Jahren bis zum Ende der Saison 2027/2028“, heißt es in der Mitteilung im Mai. Und wie bewusst der DFB mit seiner Vorbildfunktion umgeht, beweist die Aussage von Dr. Holger Blask, Vorsitzender der DFB-Geschäftsführung: „Diese gute Nachricht rundet ein herausragendes Jahr in der 3. Liga voller Zuschauerrekorde ab und unterstreicht die Beliebtheit der Liga. Dazu passt Tipico als starker und zuverlässiger Partner.“
Gleichzeitig unterhält der DFB eine eigene Seite rund um das Thema Sportwetten – mit Hinweisen zu Risiken und Therapiemöglichkeiten.
Verbot, Verzicht, Ende?
Doch was tun? Auf das Geld, das Glücksspielanbieter in den Fußball tragen, wird niemand freiwillig verzichten wollen – so ehrlich muss man sein. Die kleinste Lösung wäre, mindestens auf Werbung zu verzichten und Auswüchse wie „Ligapartnerschaften“ zu beenden. Rigoroser und nachhaltiger wäre es, den Umfang von Wetten auf Sportereignisse weitgehend einzuschränken auf bloße Ergebnistipps. Oder einfach Sportwetten vollständig abzuschaffen – was de facto illusorisch ist. Schon heute erlaubt der Glücksspielstaatsvertrag keine Werbung mehr, die auf Minderjährige oder „vergleichbar gefährdete Zielgruppen“ ausgerichtet ist. Zulässig ist allerdings weiter „Dachmarkenwerbung“ wie eben die Werbung auf Trikots oder Werbebanden.
Das Minimum dessen, was beispielsweise der Fußball selbst auf breiter Fläche umsetzen müsste, wäre ein vollständiges Wettbwerbot für Fußballerinnen und Fußballer. Wer direkt beteiligt ist am Spiel, sollte keine Wetten platzieren dürfen – grundsätzlich nicht und nicht nur für die eigenen Spiele. So ein Verbot greift tatsächlich schon in vielen Klubs und manchen Fußballverbänden.
Faktisch ist das nicht kontrollierbar, würde aber mindestens eine gewisse Hürde darstellen.