Hoffen auf weitere Geldgeber: Preußen-Präsident Christoph Strässer im Interview
Es war eine Premiere für den SC Preußen Münster und damit auch für Vereins-Präsident Christoph Strässer. Draußen auf dem Rasen, auf einer mobilen Bühne, nahm das Führungsgremium Platz und berichtete den Mitgliedern. Anschließend nahm Strässer im 100ProzentMeinSCP-Interview einige Themen noch einmal auf.
Nach knapp unter vier Stunden war die JHV 2020 zu Ende. Keine Aufgeregtheiten, keine Debatten, das war im besten Sinne langweilig. Sicher, der SC Preußen Münster hat noch reichlich Aufgaben vor sich, aber deutlich spürbar war der Wille zum gemeinsamen Aufbruch an ganz verschiedenen Stellen.
Vor allem die Rede des Präsidenten machte das klar: Sichtbar(er) werden in der Stadtgesellschaft, Position und Haltung finden und vertreten, den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Ob nun die alten, in den vergangenen Jahren etwas zum „Papiertiger“ verkommenen Schulpartnerschaften oder das Leitbild oder völlig neue Ansätze wie die Aufmerksamkeit für sexualisierten Missbrauch – der SC Preußen weitet seine Perspektive.
Na klar, am Ende wird das Wohl und Wehe der ersten Mannschaft immer den Blick auf den Klub prägen. In allererster Linie ist der SCP ein Fußballklub ist ein Fußballklub ist ein Fußballklub. Oder so. Aber warum nicht diese Selbstverständlichkeit ergänzen um etwas gesellschaftliche Bedeutung? Wie sagte es Strässer? „Wir existieren ja nicht in einem Vakuum.“ Und wenn in der Gesellschaft Themen stattfinden, dann kann auch ein Verein dazu Haltungen entwickeln, auch wenn „die“ Fans des Klubs so heterogen sind, dass kaum ein Thema eine klare Haltung ermöglichen würde. Aber der Klub will ja auch nicht jedes Detail jeder Debatte abbilden, sondern die grobe Richtung vorgeben – das werden alle vertragen können.
Dass Strässer am Sonntag durchaus die eine oder andere mehrheitsfähige Haltung vorgab („das ist jetzt meine ganz persönliche Meinung“), war das andere. DFB, UEFA und FIFA bekamen vom früheren Menschenrechtsbeauftragten Strässer ihr Fett weg. „Nicht mehr meine Sache“, schimpfte Strässer über die Vergabe der WM nach Katar. „Dem Ansehen des Fußballs abträglich“ sei es, wenn die UEFA zum EM-Spiel in London hunderte und aberhunderte Funktionäre und Sponsoren einfliege – jeder aktuellen Corona-Lage zum Trotze. „Das gehört sich nicht.“ Punkt. Eine Meinung, die dem Applaus folgend, ziemlich die Stimmung traf.
Selbstverständlichkeiten wie ein klares „Nein“ zu Homophobie oder Rassismus oder Diskrimierung sollten gar nicht mehr besonders betont werden müssen. Das sind Minimalanforderungen an eine aufgeklärte Gesellschaft. Ein unverrückbares Fundament, auf dem auch der SC Preußen stehen will.
Sehr konkret relevant für den Klub, vor allem die KGaA, dürfte eine Aussage sein, die auf der JHV fast etwas beiläufig fiel. Es „gebe Signale“, dass weitere Kapitalgeber bereitstünden. Im Interview mit 100ProzentMeinSCP bestätigte Strässer später, dass man tatsächlich hoffe, in „den nächsten Wochen“ weitere Geldgeber zu finden. Allerdings, schränkte er ein, werde vermutlich auch dieses Geld eher ins Eigenkapital der KGaA einzahlen müssen – und nicht Peter Niemeyer für die Mannschaft zur Verfügung stehen.
Die Hoffnung, dass die konkreten Beschlüsse in Sachen Stadion auch das Interesse möglicher Investoren verstärken könnte, hat sich bisher nicht erfüllt. Auch dort gebe es die gleiche Skepsis wie in Fankreisen, so Strässer nüchtern.
Dennoch: Die JHV am Sonntag zeigte das Bild eines vielseitig aktiven Klubs, der ganz anders wirkt und auftritt als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Wer mag, kann sich erinnern an die Zeiten ab 2011 und welche schrillen Signale der Klub damals in die Öffentlichkeit schickte – Stress und Streit an jeder Ecke und der gesamte Fokus nur auf Erfolg, Erfolg, Erfolg. Auf Kosten der Finanzen, wie sich dann ab 2015 herausstellte.
Nein, so ein Klub ist der SCP nicht mehr. Das Bild, das der Verein öffentlich abgibt, hat sich seit zwei, drei Jahren spürbar gewandelt. Der Abstieg brachte das Extrastückchen Demut dazu, der teilweise erzwungene Umbau machte Veränderungen möglich. Dass Bernhard Niewöhner am Sonntag noch einen kleinen, wohl launig gemeinten Stich in Richtung Malte Metzelder setzte („Der letzte Sportchef bekam nicht so einen Applaus“), war sicher nicht zwingend erforderlich. Zumal viele der Veränderungen, die der Klub seit einiger Zeit umsetzt, auf Metzelders Zeit zurückgingen. Den Fokus auf den eigenen Nachwuchs hatte schon Metzelder gesetzt, die strukturellen Veränderungen im Klub gehen ebenfalls in Bereichen auf seine Kappe. Sportlich unterlag der SCP 2019/2020 sicher einigen Fehleinschätzungen, doch auch das war engen Finanzen geschuldet – und einige der unter Metzelder verpflichteten Spieler zählen ja weiterhin zu den Eckpfeilern des heutigen Teams oder stehen in höherklassigen Klubs ihren Mann. Spieler wie Schauerte, Cueto oder Mörschel. Aber das Kapitel ist ja nun abgeschlossen.
Den Abstieg 2020 nutzte der SCP zu einem Umbruch. Der soll zum Aufbruch werden. Und das wird derzeit auch sichtbar.