Preußen-Präsident Christoph Strässer möchte „im Dezember Klarheit schaffen“
Die Amtszeit von Christoph Strässer begann 2016 turbulent: Er übernahm von seinen Vorgängern einen Klub im Umbruch und mit zunehmend wackeliger finanzieller Basis. Einen Klub, der sich in der 3. Liga langsam aufgerieben hatte und immer weiter Richtung Mittelfeld abrutschte. Einen Klub, der zugleich von Walther Seinschs Visionen getrieben war und von einem bundesligatauglichen Stadion träumte. Mit einem neuen Aufsichtsrat, in dem Altes knirschend auf Neues traf. Kein einfacher Start.
Unter Strässer und seinem Team veränderte sich der SC Preußen strukturell so sehr wie nie zuvor. Der Klub erledigte die Ausgliederung, er brachte das Stadionthema wieder ins Gespräch und durch ziemlich raue See am Ende zu einem wenigstens vernünftigen Ergebnis. Jetzt endet seine zweite Amtszeit. Endet auch seine Zeit im Amt? Im Interview mit 100ProzentMeinSCP spricht Strässer über diese Frage, blickt auf die vergangenen Jahre zurück und bewertet den aktuellen Zustand des Klubs.
Herr Strässer, Sie sind seit 6 Jahren Präsident des SC Preußen Münster. Sie haben sich in dieser Zeit gelegentlich die Frage gestellt, wie lange Sie das Amt ausüben möchten. Ist jetzt die Zeit für einen Abschied gekommen? Oder machen Sie es wie Joe Biden, der mit 80 noch Präsident der USA ist?
(lacht) Also mit Joe Boden vergleiche ich mich ungern. Aber ich sage es einmal so: Es sind noch einige wichtige Entscheidungen zu treffen. Natürlich häufen sich die Anrufe, es entstehen Gerüchte. Ich möchte gerne im Dezember Klarheit schaffen, denn es ist für die Mitglieder auch wichtig und richtig, frühzeitig zu wissen, auf was sie sich einlassen.
Das Stadion ist auf einem guten Weg, die Mannschaft liegt auf Aufstiegskurs, damit sind zwei zentrale Themen gut bearbeitet. Wie wichtig ist das für eine Entscheidung?
Es wäre sich verrückt zu sagen, das spielt keine Rolle. Vor 3 Jahren war die Situation eine ganz andere. Damals habe ich überlegt, ob ich weitermache, aber angesichts der sportlichen Lage und des Abstiegs war es angezeigt, gemeinsam etwas Neues aufzubauen. Nach dem Abstieg hat sich jetzt einiges getan. Vor allem die Strategie im Nachwuchsbereich hat mich damals völlig überzeugt und war einer der wesentlichen Aspekte bei meiner Entscheidung, noch einmal anzutreten. Direkt nach dem Abstieg im Spiel gegen Meppen saßen wir in der Tribüne zusammen mit engagierten Leuten aus dem Nachwuchsbereich. Das war wichtig und hat mich damals überzeugt. Und so ist den vergangenen 3 Jahren einiges gewachsen.
Am 15. Januar geben Sie Ihren Jahresbericht: Wie ist der SCP jetzt wirtschaftlich aufgestellt?
Wir hatten nach der Ausgliederung durchaus zu kämpfen. Jetzt sehen wir eine Entwicklung auf gesunder Basis. Wir haben Kapital in der KGaA, haben einen wirtschaftlich gut aufgestellten Verein. Ich sehe also eine positive Lage, auch wenn es hier und dort mal Rückschläge geben kann. Mit Blick auf unsere Partner lässt sich die Bereitschaft erkennen, den Klub weiter zu unterstützen.
Wahlen stehen im Januar ebenfalls an, der Aufsichtsrat stellt sich zur Wahl. Sehen Sie Kontinuität auch hier?
Nach meinem Eindruck ja. Frank Westermann hatte jüngst schon erklärt, wieder anzutreten und auch den Vorsitz zu übernehmen. Er hat seinen Anteil daran, dass wir heute gut dastehen. Alle weiteren Bewerber müssen sich beim Ehrenrat vorstellen, da will ich auch niemandem vorgreifen oder jemanden abhalten.
Erlauben Sie sich einen Blick aufs Sportliche.
Es macht ungeheuren Spaß zu sehen, wie sich das entwickelt. Ich bin nicht so nah an der Mannschaft, aber ich spüre dort eine Identifikation mit dem Klub. Gerade als Lukas Frenkert endlich wieder spielen durfte und man die Reaktionen gespürt hat: Das finde ich einfach Klasse. Das macht den Fußball aus, jenseits von Politik und anderen Diskussionen. Und auch deshalb kommen über 8.000 Zuschauer zu einem Spiel gegen Wiedenbrück.
Kaum war Strässer im Amt, stand der erste Trainerwechsel an: Benno Möhlmann wurde neuer Chef, er löste Interimstrainer Cihan Tasdelen ab, der nach der Entlassung von Horst Steffen übernommen hatte. Damals nahm Strässer noch persönlich Platz auf dem Podium, später hielt er sich hier zurück und ließ dem Sportchef Malte Metzelder den Vortritt. Es folgten: Marco Antwerpen, Sven Hübscher, Interimstrainer Arne Barez und dann Sascha Hildmann.
Im Heimspiel gegen Wiedenbrück kam das Regenbogen-Trikot zum Einsatz. Wie bewerten Sie das?
Das ist ein wertvolles Signal. Ich kenne die Diskussionen durchaus: „Spielt Fußball, alles andere kommt von selbst.“ Aber das glaube ich eben nicht. Es ist komplett wichtig, sich auch mit Werten zu beschäftigen, die nicht unmittelbar mit dem Sport zu tun haben. Das ist nicht übertrieben. Die Trikots, die starke Spende aus dem Sponsorenkreis: Das ist Sympathiewerbung für den SC Preußen Münster!
Nun gibt es auch Menschen, denen das zu viel Haltung ist und die solche Aktionen für überflüssig halten. Was sagen Sie denen?
Ich habe diese Gespräche geführt. Meine Position ist klar: Wir sind ein Verein in der Mitte der Gesellschaft. Jeder ist hier willkommen und das kann man auch nach außen transportieren, gerade in einer Gesellschaft, in der es auch mal ganz andere Tendenzen gibt. Wer, wenn nicht ein Verein, kann solche Werte auf breiter Ebene vermitteln? Politik und Fußball, Haltung und Sport, das schließt sich nicht aus. Im Gegenteil: Es ist wichtig sich zu zeigen. Und darüber diskutiere ich gerne mit jedem, der will.
Wie aktuell das ist, haben wir in den vergangenen Wochen mit Katar erlebt…
… ich habe aber kein Spiel live gesehen. Als Deutschland ausgeschieden ist, war ich auf einem längeren Spaziergang am Aasee. Ich habe durch die Fenster in ein paar Kneipen hineingeschaut, in denen kein Fußball lief. Das ist mir schon aufgefallen. Ich spüre dieses „Fieber“ einer WM nicht, was schade ist, denn früher hatte ich das schon.
In dem Kontext darf man auch das Leitbild sehen, das im Januar beschlossen werden soll. Wie ist Ihr Eindruck?
Da will ich nicht vorgreifen. Am 7. Dezember gibt es noch eine Online-Präsentation. Ich sage aber allgemein, das ich positiv überrascht bin. Spannend war, einfach miteinander zu reden. Das haben wir alle gut hinbekommen, dafür auch ein Glückwunsch an Benjamin Sicking, der das Projekt leitet. Wichtig ist, dass man diesen demokratischen Prozess nun auch demokratisch abschließt.
Welche Relevanz wird das Leitbild künftig haben? Es gab auf Schalke (oder bei anderen Klubs) ja auch Momente, in denen solche Leitbilder ihre Wirkung verfehlt haben.
Darüber haben wir anfangs auch heftig diskutiert. Da gab es durchaus die Vorstellung, dass auf Grundlage eines Leitbilds Sanktionen gegen Mitglieder, Sponsoren oder Partner erfolgen könnten. Das ist schwierig. Der Verein verfügt über eine Satzung, die das regelt. Ein Leitbild ist keine Satzung, ich würde es eher als eine Art „Grundgesetz im Kleinen“ bezeichnen. Was ich insgesamt wichtig fand, war der Prozess. Das Ergebnis ist wichtig, natürlich. Aber wir haben auch 3 Jahre lang diskutiert und am Ende ist es gut gelaufen. Ich selbst habe dabei viele neue Eindrücke gewonnen.
Ohne das jüngste Beispiel der „Waffenhändler-Investoren“ aufzugreifen: Es bleibt schwer für den SCP, neue Gelder einzuwerben?
Ja, das ist schwierig. Es hängt natürlich damit zusammen, dass wir damals bewusst gesagt haben: Wenn wir ausgliedern, dann nur, wenn Mitglieder und Verein weiter das Sagen haben. Man muss also Überzeugungsarbeit leisten. Aber für Investoren ist auch klar, dass sie wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert, das ist doch legitim. Man kann niemandem die Bundesliga versprechen, aber ein umgebautes Stadion könnte dann helfen.
Eben um dieses Stadion geht es am 14. Dezember wieder im Rat. Rechnen Sie mit der Zustimmung zur Erhöhung des Budgets?
Ich kenne das politische Umfeld, bin also nicht mehr wirklich unruhig. Alle Signale deuten eigentlich auf eine Zustimmung hin. Aber wir haben noch keinen Tisch zum Feiern bestellt …
Wenn Sie auf die vergangenen 6 Jahre schauen: Was nehmen Sie mit?
Ein Fußballverein ist etwas anderes als ein klassisches Wirtschaftsunternehmen. Auch in Unternehmen passt nicht alles zu den Prognosen, aber im Fußball hängt wirklich viel von anderen Dingen ab. Das war mir so nicht bewusst und da habe ich einiges gelernt. Aber insgesamt muss ich sagen, dass mich die Jugendarbeit deutlich beeinflusst hat. Viele, auch Investoren, schauen vor allem auf die 1. Mannschaft. Die ist wichtig, klar. Aber wir brauchen auch ein Fundament und das ist der Nachwuchs. Da habe ich früher auch nicht so hingeschaut, aber dieser Nachwuchsbereich ist stark verankert in der Region. Man muss ja nur einmal sehen, aus welchen Orten die jungen Leute hier zum Training gebracht werden. Für die ist der SCP auch etwas Wichtiges. Das zu erleben macht vieles von dem wieder gut, was sonst zur Frage führt: Warum tust du dir das eigentlich an?
Wenn ich heute den Berg Fidel herunterfahre und zum Stadion einbiege und sehe, was sich dort tut: Das zu sehen macht schon ein bisschen stolz.