Preußen Münster macht vieles richtig
Kann man im Drittliga-Abstieg auch etwas Positives erkennen? Kann sich der SC Preußen Münster in der Viertklassigkeit vielleicht neu entdecken und nachhaltig aufstellen? Das ist noch nicht endgültig zu beantworten, aber die Zeichen stimmen optimistisch.
Der SC Preußen Münster musste nach neun Jahren wieder raus aus der 3. Liga. Es war am Ende wohl das konsequente Ende einer sportlichen Berg- und Talfahrt, die den SCP schon seit einigen Jahren begleitet hatte. Zwischen Abstiegsplatz und Tabellenführung schaukelte der SCP wie kein zweiter Klub in der Liga hin und her. Kurzen positiven Ausreißern folgte regelmäßig ein Absturz in der Tabelle. Gefolgt von einem „Neuaufbau“ der Mannschaft, meistens geprägt von einem Trainer, der wenige Monate zuvor eingesprungen war, jetzt ein Team zusammenbaute, das dann spätestens zum Winter der nächste neue Trainer übernehmen musste. Der dann im folgenden Jahr selbst eine neue Mannschaft … das Bild ist klar, oder?
Idee fehlte
Nachhaltig war das alles nicht. Über das Ganze betrachtet, fehlte dem SC Preußen eine Idee, ein Fundament aus Erwartungen und Selbstverpflichtungen, um darauf eine Mannschaft zu entwickeln. Unter Malte Metzelder gab es diesen Versuch durchaus, aber Metzelder scheiterte letztlich daran, dass der SCP in seinen Bilanzen horrende Minusbeträge entdeckte. Die Hoffnung, die der Klub in die Ausgliederung setzte, wurde jäh zerstört. Metzelder scheiterte wohl auch daran, dass es ihm nicht gelang, das gesamte Team des SCP mitzunehmen. Nicht nur fachlich, sondern auch emotional.
Wenn man ehrlich ist, hätte die Perspektive in der 3. Liga selbst bei einem Klassenerhalt nicht besser ausgesehen. Die Mittel waren und sind weiterhin begrenzt, das alles hätte bestenfalls nur weitere Jahre im Mittelfeld der 3. Liga bedeutet. Mal ein, zwei Plätze besser, mal etwas schlechter. Aber Hand auf Herz: Wer glaubt, dass der SC Preußen Münster heute in der 3. Liga besser ausgesehen hätte als zuletzt?
Der Abstieg in die Regionalliga war wohl irgendwie logisch. Autor Dietrich Schulze-Marmeling und Hubert Dahlkamp hatten das in ihrem jüngsten Preußen-Buch „Preußen & Münster“ schon realistisch beschrieben: Dass der SC Preußen in der 3. Liga spiele, sei schon keine Selbstverständlichkeit. Die Autoren verwiesen auf die ungleich besseren Startbedingungen praktisch aller Klubs in der 3. Liga. Mit Trainingsbedingungen, Umfeld, Stadion und Status in der Stadt hinkt der SCP schon teilweise eklatant hinterher.
Was der SC Preußen Münster nach dem Abstieg tut, ist dagegen so überraschend wie angenehm. Er nimmt sich zurück, stellt sich ohne jede Überheblichkeit in der Regionalliga auf und versucht, sich selbst einmal nachhaltig zu sortieren. Erinnert sich jemand an die großen Reden und Sprüche 2006? Damals nach dem Abstieg präsentierte sich der gesamte Klub irgendwie als „gefühlter“ FC Bayern der (damaligen) Oberliga. Das war fast unter der Würde des gesamten SCP – und so endete die Saison dann auch. Kaputt. Geduld lernte der SCP in fünf langen Jahren, aber gewann so viele Fans zurück. Wer heute Trainer Sascha Hildmann nach den vermeintlich „kleinen“ Teams in der Regionalliga fragt, bekommt die klare Ansage, dass man gemeinsam in der gleichen Liga spiele und dass diese Spiele nicht leicht seien. Hildmann bringt zudem einen großen Optimismus, viel positive Energie mit. Das wird sich auf die Mannschaft übertragen.
Irgendwann in den vergangenen Drittliga-Jahren hatte der SCP und sein Umfeld aus den Augen verloren, dass die 3. Liga kein automatischer Dauerzustand sein würde. Die Freude nach dem Aufstieg war irgendwann zwischendurch ganz unmerklich durch Selbstverständlichkeit abgelöst worden. Nun war der SCP in der 3. Liga, aber dort wurde es manchen schon wieder zu eng. Das war auch durchaus verständlich, dann durch die phasenweise überraschend starken Leistungen ließ der SCP die Ansprüche ja selbst wachsen. Dass die positiven Ausreißer nicht strukturell begründet waren, sondern oft reiner Zufall oder Augenblicksglück, wurde dabei nicht klar.
Wieder ein Neuanfang, aber
Erst jetzt im Rückblick wird deutlich, wie teilweise ziellos und planlos der SCP agierte. Sich immer nur kurzfristig orientierte, dann aber alles über den Haufen warf.
Acht Trainer führten den SCP zwischen 2011 und 2020 durch die 3. Liga. Und mit jedem Trainer kam eine neue Philosophie. Die Spannbreite von Loose zu Dotchev, von Antwerpen zu Hübscher? Gewaltig. Das hatte mit Nachhaltigkeit nichts zu tun. Da war kein Plan, keine Struktur.
Jetzt hat sich der SC Preußen gezwungenermaßen zu einem erneuten Neuanfang entschlossen. Aber dieser hier ist von Beginn an auf vorsichtige Entwicklung angelegt. Der neue Preußen-Weg erfordert Geduld, auch mit Blick auf den sportlichen Erfolg. In der Liga kann man ahnen, dass der SC Preußen durchaus in der Spitzengruppe landen kann, aber ob das schon für einen Aufstieg reicht? Der Kader ist klein, er ist in weiten Teilen sehr jung. Aber schon in den ersten Wochen hat die sportliche Leitung aus Trainer und Sportchef Worten Taten folgen lassen.
Marcel Hoffmeier bekam das Vertrauen, auch Dominik Klann. Spieler wie Ousman Touray, Nicolai Remberg oder Lukas Frenkert – alle im vergangenen Jahr von der ersten Mannschaft meilenweit entfernt – kommen zu Einsatzzeiten. Und zeigen, dass sie ihre Leistung in der Regionalliga bringen können. Touray und Remberg haben sogar schon getroffen. Dass hier und dort eine Lernkurve bevorsteht? Geschenkt. Der SCP will Geduld haben und Spieler besser machen – und genau so tut er es jetzt gerade.
Dazu kommt, dass im Hintergrund und teilweise auch sichtbar neue Projekte angeschoben werden. Der SCP präsentiert sich seit kurzem in der Stadt mit einer Plakatserie und will seine neue Haltung so auch öffentlich dokumentieren. Sowohl „Model“ Simon Scherder wie auch die Aussage der Imagekampagne zeigen einen SCP, der realistisch und sympathisch rüberkommt.
Der Klub hat auch eine Art „Kompetenzteam“ um Ole Kittner, Jugendtrainer Janis Hohenhövel, Sportchef Peter Niemeyer und Chefscout Kieran Schulze-Marmeling ins Leben gerufen, das dem SCP dabei helfen soll, Strukturen und Prozesse zu entwickeln. Das klingt noch sehr abstrakt, vieles wird natürlich erst die Zeit zeigen, aber im Grundsatz geht es darum, dass im Verein überhaupt jemand sitzt, der über den Tag und das Tagesgeschäft hinausdenkt und Prozesse und Projekte anstößt. Das kam doch in der Vergangenheit deutlich zu kurz. Und manchmal wundert man sich, warum der Klub nicht schon viel früher auf die naheliegende Idee gekommen ist, vorhandene Kompetenzen im Klub viel mehr für sich zu gewinnen.
Strässer wirbt um Geduld
Vereinspräsident Christoph Strässer formulierte Anfang der Saison ein Positionspapier für eine langfristige Haltung des Klubs. Strässer selbst warf darin die Frage auf, ob ein sofortiger Wiederaufstieg denn tatsächlich den SCP in eine bessere Lage als zuvor versetzen würde. „Es muss angesichts der materiellen Möglichkeiten bei potentiellen Wettbewerbern als auch hinsichtlich struktureller und infrastruktureller Voraussetzungen doch auch die Frage erlaubt sein, ob die ausschließliche Fokussierung auf einen sofortigen Wiederaufstieg denn tatsächlich zu den erforderlichen nachhaltigen Veränderungen und damit einer Zukunftsfähigkeit unseres Klubs führen wird“, schrieb er.
Dazu auch: Podcast „Puls 1906“ u.a. zum Positionspapier
Strässer mahnte Geduld an und formulierte es als wichtiges Ziel, den Klub in der Stadt und der Region zu verankern und vernetzen. Dazu gehöre auch die Formulierung des lange überfälligen Leitbilds, an dem mittlerweile (allerdings noch nicht öffentlich) gearbeitet wird. Dazu gehören aber auch „weiche Faktoren“ wie soziale Verantwortung oder Haltung für Toleranz und Offenheit.
Strässer nannte den SCP einen „Ausbildungsverein“, was in deutlichem Widerspruch zu denn steht, wie der Klub in den vergangenen Jahren gehandelt hat.
Was das alles am Ende bringt, ist ein völlig anderes Thema. Wichtig ist der Gedanke, der hinter allem steckt. Den SC Preußen Münster ein bisschen aus dem eigenen Trott zu holen, die Aufmerksamkeit zu erhöhen (sowohl nach innen wie nach außen) und insgesamt für sich etwas verlässlicher zu werden. Dass der SCP seinem Trainer Sascha Hildmann nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre einen Vertrag bis 2022 gab, sollte zumindest den Eindruck stützen, dass es dem Klub ernst ist. Wie belastbar das alles ist, wird sich zeigen, wenn die teilweise noch sehr junge Mannschaft einmal Schwächephasen durchlaufen muss. Dann ist jene Geduld gefragt, um die Christoph Strässer geworben hat.
Der Eindruck insgesamt aber ist: Dieser SC Preußen Münster hat aus dem Abstieg die möglichst besten Lehren gezogen und macht derzeit vieles richtig. Das ist ein Wert, der über den Sport hinaus positiv ist.
Gut gebrüllt, Carsten…
aber nachhaltiges Arbeiten kann sich erst dann bei den Preußen positiv auswirken, wenn das ständige finanzielle ‚Löcherstopfen‘ ein Ende hätte… !!
Durch Nachhaltigkeit lässt sich zwar nicht kurzfristig die Einnahmeseite verbessern, aber es wäre ja auch schon was gewonnen, wenn auf der Ausgabenseite mehr Euros für gute Spieler zur Verfügung stünden, zum Beispiel dadurch, dass man nicht – wie in der Vergangenheit häufiger vorgekommen – mehrere Chef-Trainer bezahlen muss, sondern nur einen – nämlich den, der auch arbeitet… 🙂 …
oder der Sportchef früher gegangen wird und man nicht 17 Spiele wartet bis das Kind in den Brunnen gefallen ist….
Unser neuer Sportchef hat jetzt sogar einen Assistenten!! Hört hört wofür so alles Geld da ist !!…