Sascha Hildmann ist 1000 Tage in Münster: „Gerne noch mal 1000…“
Akkurat gerechnet: Am 27. Dezember 2019 wurde Sascha Hildmann als neuer Trainer beim SC Preußen Münster vorgestellt. Am 22. September hat Hildmann die 1000 Tage in Münster voll.
Vielleicht war der Trainer selbst am meisten überrascht, denn: „Mir kam das gar nicht so vor“, sagt er am Donnerstag im Gespräch mit 100ProzentMeinSCP. Die Zeit verfliegt eben, gerade erst da, schon irgendwie zuhause. Es war eine dichte Zeit. Mitten im Abstiegskampf, im trüben Tabellenkeller der 3. Liga sollte Sascha Hildmann den SCP vor dem Abstieg retten. Mit ein paar neuen Spielern und neuem Mut sollte der damals dienstälteste Drittligist der Liga die Klasse halten. Angestellt von Malte Metzelder, das erste Training im westfälischen Winterwetter.
Aber Hildmanns erneuerter SCP setzte direkt in Jena beim ersten Spiel nach der Winterpause Duftmarken. Damals ergab sich Carl Zeiss in die Unabwendbarkeit des Abstiegs, der SCP durfte noch einige Monate hoffen, ehe Meppen die Adler zurück in die Regionalliga schoss.
Hildmann blieb, was keine Selbstverständlichkeit war. Aber die Zweifel von damals sind der Gewinn von heute. Denn Hildmann und Münster haben sich aneinander gewöhnt. Vermutlich auch, weil Klub und Umfeld eine neue Zuneigung entdeckt haben. Das in diesem Jahr gewachsene „Alle zusammen für Preußen Münster“ ist nicht nur eine billige Höflichkeit. Es ist stärker als das abgenudelte „You’ll never walk alone“, weil es aus der Kurve kommt. Es ist stärker, weil es eine stabile Grundlage hat: das gemeinsame Erleben, Leiden, Jubeln.
Es ist in den 1000 Tagen ganz schön was passiert. Als Sascha Hildmann das Shirt mit dem Adler anzog, da gab es kein Corona. Und bis heute schwört Hildmann, dass ohne den Einbruch der Pandemie der Abstieg hätte vermieden werden können – und das kann man durchaus für möglich halten, wenn die Unterstützung von außen das Team beflügelt hätte.
Und seitdem? Ein extrem schwieriges erstes Jahr nach dem Abstieg beendete der SCP mit einer weithin starken Rückserie, auch wenn der Aufstieg schon ziemlich frühzeitig kein Thema mehr war. Gab es deswegen Stress von außen? Nein. Gab es deswegen Zweifel im Inneren? Sicher. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass der Sportchef und der Trainer erst ein Miteinander finden mussten. Die Fragen gab es auf beiden Seiten. Die Antwort? Ein neuer Anlauf 2021.
Und was für eine Saison war das. Brutaler Wille, Erfolge, Enttäuschungen. Ein Pokalspiel gegen Wolfsburg, das verloren wurde und am „grünen Tisch“ gewonnen wurde. Ein Wechselfehler, der für immer Teil der DFB-Pokalgeschichte sein wird. Und der Mark van Bommel ultimativ den Job kostete. Ein Zweitrunden-Kampf gegen Hertha BSC. Der Böllerwurf von Essen. Der heiße Aufstiegskampf mit RW Essen, den Münster am Ende wegen ein paar Toren zu wenig verlor. Das Schütteln im Pokalfinale gegen Rödinghausen: Ein Elfmeterschießen, in dem alles gegen die Preußen lief und nach dem der SVR in Münster jubelte. Das war alles schwer. Zeit zum Zweifeln? Nein. „Alle zusammen für Münster.“ Das ist keine Floskel, das ist solide.
Jetzt steht der dritte Anlauf an. Und die Preußen sind das einzige Team, das bisher die Erwartungen der Liga erfüllt. Tabellenführer mit Bestmarken – dank harter Arbeit auf und neben dem Platz. Für Jubelarien ist noch gar keine Zeit und Sascha Hildmann wäre der letzte Mensch in Münster, der auch nur ein Haar des Bärenfells verteilen würde, ehe … nun ja.
So betrachtet sind die 1000 Tage schnell vorüber, was dann auch Hildmann zugibt. „Das merkt man wohl erst, wenn man mal zur Ruhe kommt.“ Dann sagt er, dass die gemeinsamen Erlebnisse eben „Spuren hinterlassen“ haben.
Hildmann und Münster, das war hier schon erwähnt, passt. Es gab in den vergangenen 20 Jahren viele, viele Trainer. Und die wenigsten hatten so ein Interesse am Umfeld, an den Themen auf den Rängen, wie Hildmann. Der Trainer fragt nach, er will verstehen, wie die Leute um den Klub herum so ticken. Das schafft Nähe und natürlich weiß Hildmann auch, dass Nähe dabei hilft, dürre Zeiten zu überbrücken. Auch wenn es davon bisher nur wenige gab – vom Abstieg mal abgesehen. Eigentlich ist der SCP in den vergangenen zwei Jahren nur gewachsen. Den Rückhalt spürt er selbst und bemüht dazu ein naheliegendes Argument. „Wenn du authentisch bist, immer alles gibst – das spüren die Leute eben.“
Wer Hildmann beobachtet, sieht, wie das funktioniert. Der Trainer schickt seine Spieler zum Zaun, auch und gerade dann, wenn es nicht gut gelaufen ist. „Das muss einfach sein“, sagt er bestimmt. „Die paar Minuten braucht es.“ Für ihn sind es die Zuschauer, die Fans, die einen Klub mit Leben füllen. Das muss dem Pfälzer wohl im Blut liegen. „Ich bin doch selbst Fußball-Fan“, sagt er. „Und daher auch Fan der Fans. Ganz ehrlich: Ich hätte auch Lust, als Fan nach Aachen zu fahren, da zwei Bierchen zu trinken und eine Wurst zu essen.“
Einfach gemeinsam mit allen den SCP nach vorn zu peitschen. Aber wie die Dinge liegen, muss er das zunächst von der Seitenlinie aus tun. Und das auch noch ein bisschen länger. „Ich bleibe gern noch mal 1000 Tage“, sagt er und irgendwie wüsste man nicht, warum es nicht so kommen sollte.