Pavel Dotchev wählt das falsche Lob
Nein, dieses Lob wollte Preußen-Trainer Sven Hübscher dann doch nicht stehen lassen. Münster sei bisher der schwerste Gegner gewesen, hatte Dotchev nach dem Abpfiff erläutert. Sein Team habe gegen Münsters Aggressivität Probleme gehabt, habe das nicht in den Griff bekommen. Und später, ja später, da habe die Viktoria auch ihre Linie verloren.
Das alles klang, als hätte Preußen Münster mit klarer Führung gezeigt, wer mit Leidenschaft und Herz auftritt. Nur, dass es eben genau andersherum war. Und Sven Hübscher fand Dotchevs Lob zwar „nennt gemeint“, aber das wolle und könne er eben auch nicht so stehen lassen. Tatsächlich fehlte den Preußen vor allem in der ersten Hälfte praktisch alles, was in der 3. Liga einfach Basis für alles andere ist. Das war langsam, das war ungenau, fehlerhaft, ohne Leidenschaft. „Einfach schwach“, so Hübschers Bilanz der ersten Halbzeit.
Was dann auch erklärt, warum sich Hübscher nach dem späten 1:3 sogar noch aufgeregt hatte. „Warum nicht früher?“
Tja, das ist im Grunde die Frage. Warum nicht früher? Seit Wochen ist das Thema fehlende Aggressivität sowohl in als auch um die Mannschaft herum aktuell. „Wir sind zu lieb, zu brav“, so Hübschers ernüchterte Bilanz. Obschon genau dieses Thema immer wieder im Mannschaftskreis erörtert wird, setzt das Team das eben nur unzureichend um. Was den Trainer ärgerte. „Jetzt geht es nicht mehr nur ums Erkennen, sondern ums Lernen.“ Was besprochen wird, muss jetzt verstanden und umgesetzt werden. „Bei den Jungs laufen natürlich gerade eine Menge Denkprozesse. Dass wir Fußball spielen können, sieht man. Aber das müssen wir mit Minute 1 beginnen.“ Am Samstag habe schlichtweg die effektivere Mannschaft gewonnen, nicht das bessere Team. „Wir sind doch nicht an die Wand gespielt worden!“
Den Unterschied macht allerdings auch das Personal aus. Auch wenn das beim SC Preußen wohl niemand so richtig hören will: Torgefahr hat der SC Preußen im Sommer verloren, aber nicht gewonnen. Rufat Dadashovs zweites Saisontor beim Zwischenstand von 0:3 kam eben doch zu spät – und gegen Spieler der Kategorie Wunderlich oder Bunjaku kann der SC Preußen schlichtweg nicht wechseln. Das sind Qualitätsunterschiede, ganz simpel.
no images were found
Im Vergleich zu Kölns Offensivpower hatte der SCP wenig entgegenzusetzen. Die Frage ist: Kann sich der SCP hier noch entwickeln? Hübscher: „Wir haben ein Problem, das ist das letzte Drittel.“ Das ist korrekt. Bis in Höhe des gegnerischen Strafraums sieht vieles richtig gut, was der SCP macht. Aber dann wird es stets ungenau, fehlerbehaftet, einfach zu unentschlossen. Vorne bekommt der SCP die Bälle viel zu selten wirklich fest, dann folgt lieber der Querpass oder die Rücklage, wo andere entschlossen den Abschluss suchen. „Und wenn wir jedesmal den Ball an der letzten Linie verlieren, schießen wir eben keine Tore.“ Deswegen hat Köln jetzt 20 Treffer und Münster 11. Nach acht Spieltagen schon solche Unterschiede …
Was den Trainer insgesamt zuversichtlich stimmt, ist einfach. „Wir können das alles selbst beeinflussen“, so seine Erkenntnis. Gemeint ist: Der SCP ist nicht etwa sportlich ständig unterlegen, sondern erzeugt im eigenen Spiel zu viele Fehler oder trifft falsche Entscheidungen. Und das sind eben Dinge, die verändert werden können. „Wir können beeinflussen, wie wir in die erste Halbzeit gehen und nicht sofort 0:2 hinten liegen.“ Das mag sein, aber dann stellt sich die Frage, warum es auch gegen Viktoria nicht klappte, oder?
Tatsache ist: Nach Zahlen ist der SC Preußen jetzt ein Kellerkind. Nur das Torverhältnis trennt die Adler von den vier Abstiegsplätzen. Und die Aussichten sind zumindest anspruchsvoll. Am kommenden Wochenende ist der SCP zu Gast in Halle (aktuell Platz 3, spielt am Sonntagnachmittag in Ingolstadt) – das ist auch kein leichter Gegner. Nur vier Gegentore kassierte Halle bisher, das ist Liga-Bestwert.
„Ich hoffe, dass die Jungs sich nicht von der Tabelle beeinflussen lassen. Wir gehen in die neue Woche rein und arbeiten.“ Das tut der SCP ja schon seit einiger Zeit, aber irgendwie zeigt die Form- und Lernkurve eher nach unten. Die Ergebnisse in der Liga und im Pokal sind nicht zufällig, sondern Konsequenz. Leichter wird’s jedenfalls nicht.