Nie mehr Rödinghausen: „Preußen, erlöse uns“
Die Auswärtsfahrt nach Rödinghausen dürfte für die meisten Preußenfans eher eine Qual sein. Wenige Spiele stehen rund um den SCP so in Verdacht, dauerhaft unerfreulich zu sein. Und so war der Auftritt am Mittwochabend gleichermaßen typisch wie erlösend. Denn mutmaßlich wird dies zumindest auf absehbare Zeit der letzte Besuch im Häcker Wiehenstadion gewesen sein. Und das sorgte am Samstag für eine ungewöhnliche Choreografie …
Sechs Auswärtsspiele hatte der SC Preußen Münster in den vergangenen Jahren in Rödinghausen absolviert, das erste davon im Juli 2015 war ein Testspiel. Das verlor Münster direkt mit 1:2, was schon eine Warnung hätte sein können. Rödinghausen war über Jahrzehnte ein ganz banaler Kreisliga-Klub, bis der örtliche Küchenhersteller um 2010 herum begann, enorme Summen in den Klub zu investieren. Derart angefüttert kletterte Rödinghausen binnen weniger Jahre bis in die Regionalliga, wo er seit 2014 spielt. Das erklärt auch, warum sich die Wege des 1906 gegründeten SCP und die des 1970 gegründeten SVR zuvor nie kreuzten. Der SVR war einfach sportlich nicht relevant.
Seit 2014 verlor der SCP dann aber zwischen 2018 und 2020 zweimal auswärts im Verbandspokal in Rödinghausen. Zusätzlich auch noch zweimal im Preußenstadion gegen den SVR, aber das nur am Rande.
Zwischen Äckern
Nach dem Abstieg der Adler im Sommer 2020 musste der Klub zwangsweise auch in Regionalliga-Punktspielen dort zwischen Äckern antreten, verlor einmal 0:1 und holte zwei Unentschieden (inklusive des 2:2 am Mittwoch). Gewonnen haben die Preußen in Rödinghausen also nie – der „Auswärtsfluch“ setzte sich stellvertretend sogar in anderen Stadien fort: Ein Testspiel im November 2015 fand in Warendorf statt – und auch das verlor der SCP.
Ist es da ein Wunder, dass die Preußenfans kollektiv dafür beten, möglichst nie wieder oder wenigstens nicht so bald im Wiehenstadion auflaufen zu müssen? Dieser Wunsch spiegelte sich dann beim Auswärtsspiel am Mittwochabend nach der Halbzeit: Da entrollten die Preußen ein großes Banner mit dem simplen Wunsch: „Preußen, erlöse uns“. Um dem auch Nachdruck zu verleihen, wurde das Banner mit Rauch und Licht begleitet. Unübersehbar und dank Bannergestaltung sozusagen von hinten beleuchtet:
Nach Abfiff, die Spieler waren schon Richtung Kabine unterwegs, klang es plötzlich aus dem Gästeblock: „Nie mehr Rödinghausen, nie mehr, nie mehr…“ Das war vielleicht voreilig, aber noch viel deutlicher war die Stimmungslage nicht zu formulieren – worüber anschließend auch der Trainer Sascha Hildmann grinsen musste. „Ist ja noch nicht so weit…“
In der anschließenden Pressekonferenz verabschiedete der Klubsprecher den SCP dann beiläufig mit den Worten, es sei ja immer schön mit den Preußen gewesen, was durchaus freundlich gemeint war und nicht hämisch. Aber diese Art von Zuneigung dürfte trotzdem von Einseitigkeit geprägt sein.
Interressant aber: Bereits vor dem Spiel war auf sportschau.de ein WDR-Bericht zum SC Preußen Münster erschienen, der aus Preußensicht eher unerwartet positiv klingt. „Mit Preußen Münster droht die Fußball-Regionalliga West ein weiteres Zugpferd zu verlassen. Steigen die Münsteraner auf, verlieren gerade die kleineren Klubs ein Highlight der Saison“, heißt es da. Im Text geht es darum, dass der SC Preußen trotz erhöhter Anforderungen an die jeweiligen Gastgeber eben doch ein Highlight des Spieljahres sei. Als Kronzeugen kommen u.a. Klubs wie Bocholt, Kaan-Marienborn oder Straelen zu Wort. „Wenn Münster am 13. Mai vor ausverkauftem Haus gegen Rot-Weiß Ahlen den Aufstieg in die 3. Liga feiern sollte, werden die kleineren Vereine der Fußball-Regionalliga West mit einem weinenden Auge ins Preußen-Stadion schauen“, heißt es dort weiter.
Auch wenn die Heimspiele gegen die Münsteraner immer mit besonderen Herausforderungen verbunden seien, werde man den Ligaprimus vermissen.
Diese besondere Bedeutung der Preußen-Spiele lässt sich auch mit Zahlen belegen. In allen bisherigen Auswärtsspielen gehörten die Gastspiele des SCP zu den bestbesuchten der Saison. In vielen Fällen brachte der Auftritt des SCP dem Heimteam den Saisonrekord – so war es u.a. in Bocholt, in Ahlen, Wiedenbrück oder Aachen. Und natürlich am Mittwoch in Rödinghausen. Die Spiele bei Zweitvertretungen sind in der Regel ein Sonderfall, bei denen der Besuch erheblich abhängt von der Terminierung der jeweils ersten Mannschaft. Auf Schalke begrüßte der Klub im Nachholspiel 1400 Fans (darunter die Mehrheit aus Münster), gegen Straelen (!) kamen an einem Sonntag 100 mehr, vermutlich aber, weil viele Schalker Fans den Termin wahrnehmmen konnten. Auch die Partie in Mönchengadbach war mit 1250 Zuschauern bestens besucht – aber auch hier waren die Spiele gegen Düren (Lokalduell) oder Kaarn-Marienborn mit einer Handvoll Fans mehr leicht besser besucht.
Münster zieht auswärts
Münsters Gastspiel bei Fortuna Köln war mit 3215 Fans das Spiel mit der zweitgrößten Kulisse, nur Aachen zog noch 800 Fans mehr an. Apropos Aachen: Ausgerechnet das Spitzenspiel in Aachen gehörte mit 9.900 Zuschauern nicht einmal zu den Top5 in Aachen.
So oder so: Angesichts des Zuschauerschnitts würde/wird der Regionalliga West einer der beiden zuschauerstarken Klubs verloren gehen. Die Zuschauerzahlen der anderen potenziellen Topklubs wie Fortuna Köln, Wuppertal oder Oberhausen sind im Vergleich geradezu absurd niedrig – und sie ziehen auswärts auch im Vergleich mit Münster deutlich weniger Zuschauer an (auch wegen der geringeren Zahl an Gästefans).