Kolumne #5: Wenn ein Nachteil zum Vorteil werden kann
In der 5. Ausgabe der Kolumne „100% Preußen“ schreibt Martin Stadelmann diesmal über die jüngste „Deeskalationsstrategie“ des SC Preußen Münster, also den Diskussionsabend nach dem Block-Desaster. Und außerdem über Babyschritte …
Hier die Kolumne:
Vergangene Woche wollten die Geschäftsführung und der Veranstaltungsleiter unter Einbeziehung des Präsidenten den Gästen während einer Informationsveranstaltung mitteilen, wieso sie drastische Maßnahmen gegen die eigenen Fans für notwendig erachten.
Um es kurz zu machen, es wurde zu einem Kommunikationsdesaster. Rasch wurde die Kontrolle über die Veranstaltung verloren und aus einer Informationsveranstaltung wurde ein harter, emotionaler Austausch – zu deren Höhepunkt der Rücktritt eines jeden Funktionärs im Raum stand.
Was war passiert? Die Herren Hennemann, Niewöhner und Strässer hatten die Grundstimmung innerhalb der Anhängerschaft komplett falsch eingeschätzt, sie waren spürbar überrascht, dass plötzlich sie im Mittelpunkt der Kritik standen. Und so nahm das Chaos seinen Lauf, in ihrer Verblüffung verstrickten sie sich in Widersprüche, sorgten mit Bemerkungen, dass zunächst die JHV aus taktischen Gründen abgewartet werden sollte für Empörung und verloren spürbar immer mehr den Zugriff. Dass nicht anwesende Mitarbeiter teilweise den schwarzen Peter zugeschoben bekamen, verbesserte die Stimmung nicht.
Richtig leid tat vielen Anwesenden am Ende Präsident Christoph Strässer, der für viele Aktionen den Kopf hinhalten musste. Er prägte im Verlauf des Abends den Satz, dass er von der Gefühlswelt der Anwesenden in ihrer Heftigkeit überrascht war. Er hätte die Lage anders eingeschätzt.
Für mich liegt in dieser Äußerung der Schlüssel für eine bessere Zukunft der Preußen. Sollte dieser Abend bewirkt haben, dass in den Gremien ankommt, was sich am Mittwoch abgespielt hat und sich der Eindruck durchsetzen, dass alle etwas machen müssen, dann kann es in der Zukunft nur besser werden. Kommunikation mit den Fans kann und darf nicht ein unangenehmer Fanabend sein, die Meinungen und Ideen aus dem Fanlager müssen zukünftig eine Orientierungshilfe sein. Und hierbei geht es natürlich nicht um Dinge wie Aufstellungen, Spielerauswahl oder ähnliches.
Wir müssen uns im Alltag endlich wieder ernst nehmen, denn am Ende des Tages ist so ein kleiner Club wie Preußen Münster kein Global Player sondern in seinem Herzen eine Familie. Und wie es in einer Familie üblich ist, mag manches Mal nicht jeder jeden, aber wenn es hart auf hart kommt, dann steht man zusammen. Aber auch das erfordert tägliche, harte Arbeit wie wir alle wissen.
Preußen muss es schaffen, endlich eine gemeinsame Sprache zu sprechen, gemeinsam ein Ziel vor Augen zu haben, eine gemeinsame Struktur auf der Basis des Vertrauens zu schaffen. Wenn diese Botschaft angekommen sein sollte, dann war der Abend ein unglaublicher Gewinn.
Sportlich machen die Preußen Fortschritte in Babyschritten, ein größerer Sprung nach vorne wäre natürlich wünschenswert, gleichzeitig erscheint er aber auch nicht realistisch. Mühsam Schritt für Schritt arbeiten Hildmann und die Mannschaft am Wunder Klassenerhalt. Das wird, sollte es überhaupt gelingen, noch länger dauern, ehe es realistische Züge annehmen kann. Geduld am Rande des Abgrunds zu verlangen, das passt nicht jedem. Zu verlockend sind irgendwelche Abstandsberechnungen vor und nach jedem Spiel. Aber bringen sie wirklich etwas? Wird damit nicht eher künstlich ein zusätzliches Druckszenario geschaffen, der Mannschaft ein weiterer Rucksack aufgebürdet?
Mehr Ruhe und Gelassenheit, mehr Zuhören und aufeinander zugehen. So könnten wir aus dem Loch, in dem sich der SCP derzeit befindet, gestärkt hervortreten.
Martin Stadelmann, 12. Februar 2020