Preußenfans feiern 115 Jahre Preußen Münster
Einen Geburtstag feiert man in der Regel ungern allein. Seit Monaten sind im Fußball keine Fans mehr zugelassen, da muss etwas Zuneigung auf anderen Wegen gezeigt werden. Ein Kommentar.
Der 115. Geburtstag des SC Preußen Münster ging am 30. April etwas unter. Kein Spiel, kein Stadionbesuch, keine Party. Stattdessen brachten Anhänger des Klubs ihre Glückwünsche über die gesamte Stadt (und auch im Umland) unter. Banner an vielen Stellen in der Stadt zeigten die Verbundenheit der Fans zum Klub, an mindestens einer Stelle (dem Hörsaal 1 am Schlossplatz nämlich) etwas unnötig dauerhaft als Graffiti, ansonsten durchaus stadtbildverträglich.
Besonders augenfällig und auch hörbar verlief eine Pyroaktion am Prinzipalmarkt. Dort wurden (unter Wahrung von Abständen) ein paar übrig gebliebene Silvester-Raketen abgefeuert, ein paar Böller vielleicht und dann der Prinzipalmarkt durch Pyrotechnik erleuchtet. Ein kurzer, verqualmter, knalliger Gruß in Richtung Hammer Straße.
Selbstredend versteht die Polizei von Dienst wegen keinen Spaß, es seien Anzeigen gefertigt worden, heißt es in den Westfälischen Nachrichten, die zugleich das Wort feiern in Anführungsstriche setzten.
Tja, im Grunde war es das auch schon. Eine kurze Lärmbelästigung, die Pyroaktion nicht im Ansatz vergleichbar mit den Szenen aus anderen Städten in den vergangenen Monaten – als BVB-Fans ihre Mannschaft nach dem Derby-Sieg gegen Schalke empfing und das zu hunderten und völlig ohne jeden Abstand, beispielsweise.
Da nahm sich die überschaubare Zahl von Preußen doch eher läppisch aus. Und verglichen mit den Entzugserscheinungen, die viele Fans seit nunmehr fast 14 Monaten verspüren dürften, fast bescheiden niedrig. Die Geburtstagsgrüße an den Klub in der ganzen Stadt? Sympathisch und ein Zeichen der Verbundenheit in wirklich schwierigen Zeiten. Vorbildlich haben die Preußenfans in den vergangenen Monaten den Wegfall des wichtigen Live-Erlebnisses weggesteckt: Keine Massenaufläufe am Stadion, kein Theater, nix.
Aber wohin soll denn die ganze Leidenschaft? Irgendein Ventil braucht es, wenn die ganze übliche Anspannung einer normalen Saison nicht mehr im Stadion gezeigt und abgebaut werden kann. Tore ohne Jubel, Siege ohne Echo, nur die Tabelle belohnt den SCP derzeit. Das ist kein Ersatz für echte Leidenschaft.
So sah es wohl auch Preußen-Trainer Sascha Hildmann, der ein entsprechendes Pyro-Video auf Instagram mit Lob kommentierte. Ob ein Trainer das tun sollte? In diesem Fall lautet die unbedingte Antwort „Ja“. Denn auch der Trainer machte zuletzt keinerlei Geheimnis daraus, dass die Spiele vor leeren Rängen nicht befriedigend sind. Es gehört zu den Wunderlichkeiten, dass Hildmann seit seinem Amtsantritt im Winter 2020 ganze 7 Spiele unter regulären Bedingungen und mit Fans erlebte! Und im Spätsommer eine Handvoll Partien mit wenigen hundert Fans. Seit sechs Monaten findet der Fußball unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – und nun bricht sich Zuneigung zum Klub ein einziges Mal Bahn in der Stadt.
Für diese Art der Zurückhaltung müsste man der Fanszene des SC Preußen eigentlich einen Orden für vorbildliche Zurückhaltung verpassen – und nicht diesen völlig harm- und gefahrlosen Ausbruch als Feierei in Anführungsstrichen beschreiben. Verglichen mit dem, was sogenannte Querdenker und Corona-Kritiker unter Polizeischutz in Deutschland veranstalten, wundert man sich zuweilen über die Maßstäbe in der Bewertung.
Klasse Statement
Die Redakteure/Verleger der WN feiern halt anders – deshalb die „Feier“-Anführungsstriche in der WN… .
Gute Zusammenfassung der Fan-Situation! Bei den unterschiedlichen Beurteilungs-Maßstäben hinsichtlich der Covidioten bin ich ganz bei Dir… !!
Ich finde das auch in Ordnung. Auf die Böller hätte man sicherlich verzichten können.