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Lese-Empfehlung: „Preußen & Münster – ein Sportclub und seine Stadt“

13 Jahre nach dem bitteren Vereinsjubiläum des SC Preußen Münster haben die beiden Autoren Dietrich Schulze-Marmeling und Hubert Dahlkamp ein neues Buch zum SC Preußen Münster veröffentlicht. Und vorab: Es ist kein ganz fröhliches Buch, keine Lobhudelei, sondern eine kritische Betrachtung einer schwierigen Beziehung. Nämlich der zwischen einer manchmal verschlossenen Stadt und einem Klub, der das nicht immer richtig begreift.

Erst einmal die Fakten: Das Buch heißt „Preußen & Münster: Ein Sportclub und seine Stadt“, kostet 19,90 Euro (ISBN 978-3-3707-0481-3) und ist erneut im Göttinger Verlag „Die Werkstatt“ erschienen. Und auf 284 Seiten spüren Schulze-Marmeling und Hubert Dahlkamp der besondere Wechselwirkung zwischen Verein und Stadt nach.

Erfahrene Preußen wissen: Das ist eine Geschichte, die lange zurückgeht und in der auf beiden Seiten nur selten echte Sommer zu erleben waren, stattdessen aber viel Herbst.

Der Titel ist – was ja eigentlich logisch ist – auch der Anlass für das Buch. Und die Ausgangsfrage lautet: „Was ist eigentlich Münsters Probem mit den Preußen bzw. Preußens Problem mit Münster?“ Formuliert auf der ersten Seite des Buches als Stoßseufzer. Münster, eine vergleichsweise reiche Stadt voller Leben – studentisch wie bürgerlich. Eine Stadt mitten in der Provinz, ein Oberzentrum für das Münsterland, das sich in vielerlei Hinsicht gerne selbst schmückt oder feiern lässt. Und dort der zwar nicht größte, aber relevanteste und bekannteste Klub der Stadt, der SC Preußen Münster. Einst Teil der deutschen Eliteklassen, aber seit 30 Jahren nur noch Gast in Liga 3 oder tiefer.

Ein Klub, der stets um sein Ansehen in der Stadtgesellschaft kämpfen musste und nur selten mal halbwegs geliebt wurde. Schulze-Marmeling und Dahlkamp gehen nicht tief in die Klubgeschichte zurück (dafür gibt es ihr Buch „100 Jahre Preußen Münster“), sondern schauen eher auf die Gründe für die angestrengte Beziehung. Wenig überraschend: Münster ist eben keine Fußballstadt. Es gibt Städte wie Kaiserslautern, Gladbach oder Gelsenkirchen, die sich vorrangig über ihren Fußballklub definieren. Andere Städte wie Dortmund oder Essen, in denen der Fußball im Alltag eine ungleich größere Rolle spielt. Münster ist nicht so eine Stadt. Der Fußball wird hier nicht benötigt oder gelebt wie anderswo. Er ist nicht so wichtig.

Das spiegelt sich auch in der Politik. In einem bemerkenswert klaren Kapitel zeichnen die Autoren nach, wie wenig „Liebe“ zum Fußball in Münsters Stadtpolitik herrscht. Selbst dort schaut man lieber zu den großen Klubs in die benachbarten Bundesliga-Städte, die ja aus Münster schnell erreichbar sind. Die Zahl der Politiker, die regelmäßig im Preußenstadion zu Gast sind, ist vergleichsweise klein – und der Oberbürgermeister selbst gehört nicht dazu. Und mehr noch: Die Zahl derjenigen, die überhaupt etwas mit Fußball anzufangen wissen, ist weitaus größer als jene, die ihm etwas abgewinnen können. Diese fehlende Lobby in der Politik ist eines der Probleme, die dem SCP zu schaffen machen..

Die Autoren formulieren drei weitere Problemfelder, die den SC Preußen hemmen.

Neben der fehlenden Lobby in der Politik ist das ein Mangel an unternehmerischer Begeisterung für den Klub (der Verweis an das Bielefelder „Bündnis Ostwestfalen“ schmerzt, ist aber völlig richtig. Welcher Preußenfan möchte ernstlich den Augenblick erleben, in dem der Klub vom Wohlwollen der Unternehmer abhängig wäre …?), überzogene Erwartungen an den Klub und die Tatsache, dass der Fußball in Münster auch ein Breitensport ist, der in einer Vielzahl von Klubs betrieben wird, die argwöhnisch jeden Euro verfolgen, der für den SC Preußen ausgegeben wird (Stichwort u.a. Kunstrasen).

Im Grunde hangelt sich das Buch an diesen vier Problemfeldern entlang – sie bilden den Rahmen einer oft traurigen Geschichte. Dabei unternehmen Schulze-Marmeling und Dahlkamp den Versuch, die Tristesse durch eine Art „Realitäts-Check“ in etwas Positives zu verwandeln. Der Versuch erfordert allerdings die Bereitschaft der Leser (also Fans), ehrlich zu sein. Der SC Preußen Münster muss sich ein bisschen trennen vom eigenen Anspruch, ein natürlicher Bestandteil der 1. oder 2. Bundesliga zu sein. Münster ist nach Zahlen die 20.-größte Stadt der Republik, aber in Sachen Fußball wahrlich nicht.

Preußen & Münster: Ein Sportclub und seine Stadt / 19,90 Euro überall im Buchhandel

Tatsache ist: Trotz vieler Nachteile, vor allem dem desaströsen Stadion, hält sich der SCP einigermaßen in den Top 50 der besten deutschen Fußballklubs. Das ist keine Selbstverständlichkeit, so das Credo der Autoren. Die 3. Liga mit ihrem zahllosen Traditionsvereinen und früheren Erstligisten ist wahrlich nicht der schlechteste Ort für einen Fußballkub. Und er ist keine Selbstverständlichkeit, wie die Autoren erklären.

Aber dieser Gedanke muss erst noch in den Köpfen aller Beteiligten ankommen. Das ist manchmal ernüchternd, aber die Realität ist: Klubs überall in Deutschland haben in den vergangenen Jahren viel mehr investiert und installiert als der SCP. An Münster rauschte der Zug vorbei – was die Autoren plastisch und ganz nebenbei auch buchstäblich darstellen, am Beispiel des Hauptbahnhofs in Münster nämlich, dessen Neubau zwar gefeiert wurde, der aber doch bundesweit betrachtet eher ein nachrangiger Bahnhof ist. Außen glänzend, aber die Realität matt. Dieses Thema zieht sich ein bisschen durch das gesamte Buch: Das Missverhältnis zwischen Anspruch und Selbstwahrnehmung und Wirkung.

Das Buch ist aber keine Klage, es ist keine Jammerei. Es ist, was es ist. Das Anerkennen der eigenen Rolle. Die unausgesprochene Anregung, daraus die besten Schlüsse zu ziehen und sich für einen Weg zu entscheiden, der dem Klub angemessen ist und Chancen bietet. Schulze-Marmeling und Dahlkamp werben letztlich für Geduld, für Struktur und Klarheit. Ob das eine Botschaft ist, die im Klub und auch in seinem Umfeld gehört wird?

Der Weg, den der SC Preußen 2018 mit der Ausgliederung eingeschlagen hat, war wohl unumgänglich, aber er ist noch nicht gegangen. Er liegt noch vor dem SC Preußen. Und irgendwie macht „Preußen & Münster“ trotz aller kritischen Töne Mut genau dafür.

„Preußen & Münster: Ein Sportclub und seine Stadt
Taschenbuch, 19,90 Euro (ISBN 978-3-3707-0481-3)
Verlag “Die Werkstatt”
284 Seiten 

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