Götz Alsmanns „Fußball-Sinfonie“ – eine kritische Würdigung

Am Freitag erschien ein neuer Track von Götz Alsmann. Allerdings einer, der aus dem bekannten und vertrauten Werk des Künstlers etwas herausfällt. „Fußball-Sinfonie (die Preußen-Münster-Hymne“ heißt der Track. Ein Song, der vor einigen Wochen in Hiltrup aufgenommen wurde. Und seit Freitag ist er auf allen Streaming-Diensten und auf YouTube zu hören. Was halten wir nun davon? Eine kritische Würdigung der Neuerscheinung …

Foto: Götz Alsmann bei der Aufnahme in Hiltrup. Foto: Stephan Günther.

Man müsste das alles einmal sortieren. Doch wo fängt man an? Zunächst hat Götz Alsmann hier wohl etwas präsentiert, was anders als sein „Erstlingswerk“ zum SC Preußen keine Auftragsarbeit war, sondern Überzeugungstat. Soll heißen: Für den Samba-Gassenhauer aus den Neunzigerjahren galten in der Bewertung insofern mildernde Umstände, weil Alsmann ihn als Job angenommen hatte – nach eigener Aussage ohne besondere Beziehung zum Klub. Oder zum Fußball, um das genauer zu formulieren. Vermutlich konnte dieser alte Song auch nur so gedeihen. Wobei anzumerken wäre, dass es nicht wenige Fans gibt, die dieses Kleinod von Fußball-Hymne längst sehr zu schätzen wissen. Gerade weil es damals wie heute nicht ins Raster der einschlägigen Fußball-Schenkelklopfer oder Siebzigerjahre-Schmonzetten passt.

Genau das wäre dann die Überleitung zum aktuellen Werk, dass seit Freitag überall zu hören ist. Und auf durchaus geteilte Meinungen stößt, wie ein Blick in einschlägige „soziale“ Medien verrät. Daher müsste man zuallererst die Plattitüde erneuern, dass Musik vor allem Geschmacksache ist und sich damit einer objektiven Bewertung entzieht. Gleichwohl verfügt das neue Werk über eine stilistische und technische Kunstfertigkeit, die man ganz sicher ganz grundsätzlich anerkennen darf. So oder so.

Hier bitte zunächst anhören, um die folgende Einordnung nachzuvollziehen …

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Schöne Akkordwechsel, Modulationen, es klingen sogar Glocken unterm Chor – das ist alles toll komponiert und aufwendig produziert und ganz sicher das Gegenteil von vielem Charts-Gedöns.

Ein Kardinalfehler (oder eine Hürde?) im Verständnis des Songs dürfte in der Einordnung als „Hymne“ liegen. Rein formal gibt es daran nichts auszusetzen, doch wie das so ist mit Fußball und Fans… hier gelten eben eigene Regeln. So wie im Pokal. Und eine Hymne muss bitteschön aus vollem Halse, eng umschlungen und biergurgelnd mitgegrölt werden dürfen. Und das möchte man Alsmanns Werk dann doch lieber nicht antun. Ganz nebenbei: Das Problem mit Hymnen aller Art ist, dass sie nur selten als solche anerkannt werden, wenn sie so auftreten. Anders gesagt: Die Hymne wird natürlich erwählt, nicht gemacht. Daran sind schon manche andere Preußen-Songs „gescheitert“. Oder noch anders gesagt: Es kommt wie es kommen soll. Und wenn es nicht zur Hymne langt, dann allemal zu einer schönen Ergänzung des mittlerweile bunten Portfolios an schwarz-weiß-grünem Liedgut.

Das aktuelle Alsmann-Werk greift selbstbewusst eine ganze Etage höher und kommt gleich als Sinfonie daher – und auch das rein formal korrekt. Wenn nach Alsmanns ganz gehauchter Einleitung über „Sensationen“ und „1A-Stimmung“ ein schmachtender Fritz Steinbacher den Gesang übernimmt – spätestens dann dürfte gegnerischen Fans die Kinnlade aus der Schrankwand fallen. Darf man das im Stadion? Ist das erlaubt? Eine Kurz-Oper mit Flöten, Triangeln und Fanfaren? Was erlauben Alsmann?!

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Seien wir ehrlich: Die gesamte Sinfonie ist auf eine derart charmante Art mariniert und „outdated“, wie es eben nur Alsmann fertig bringt. Oder Max Raabe, wenn man so will. Aber wer Alsmann bestellt (oder geschenkt bekommt), bekommt genau ihn. Die dringende Empfehlung lautet daher allemal, die Sinfonie nach dem ersten Schock ein zweites Mal zu hören und dann ein drittes, viertes und gerne auch zehntes Mal. Und das Genre Fußballhymne zu vergessen. Vergessen. Vergessen. Die Sinfonie wächst dabei und gewinnt, das ist sicher.

Und für Hardcore-Fußballfans gibt es ja immerhin ein paar Halteseile. Beispielsweise die tragischen Sprachbildchen vom Adler, der seine Schwingen hebt. Und dem Fahnenmeer, das da weht. Das ist schon so ein wenig Lyrik aus der Texter-Vorhölle, aber so wird ein Fußballsong eben geboren. „Sportclub Preußen Münster! Heute oder nie.“ Das wiederum klingt doch ganz schön und verlässlich, oder?

Eine Verneigung vor dem Ritual der Fans in der Ostkurve greift der Song zudem auf. „Wir zusammen wollen Preußen Münster sein“ heißt es da – und man ahnt die zum Himmel gereckten Hände und das rhythmische Klatschen vor der Kurve. Das ist alles fein.

Und dann spürt man am Ende sogar fast ein Schunkel-Gefühl… so ein unfreiwilliges Mitwippen. Hymne? Sinfonie? Es ist ein ganz schön pathetischer Zirkus, den Alsmann da mit Steinbacher und Dirigent Golo Berg fabriziert hat. Aber eben auch im besten Sinne ein Spektakel. Und das wiederum passt doch einfach perfekt auf die Fußball-Bühne. Diese Fußball-Sinfonie traut sich, einen mutigen Kontrapunkt im Hymnen-Einerlei zu setzen.

So wie alle kann jeder. So wie Münster klingt nur dies. Und das ist viel mehr als man verlangen könnte.

Zum Vergleich: Alsmanns „klassischer“ Preußen-Song:

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12 thoughts on “Götz Alsmanns „Fußball-Sinfonie“ – eine kritische Würdigung

  1. Danke Carsten für Deinen gelungenen Kommentar. Ist altmodisch eigentlich nicht auch ne Riesechance? Bei all dem schnell verfliegenden Hype um Gehyptes? Wer weiß was draus wird, am Ende vielleicht sogar was Hymnisches. Nur der SCP! LG Max

  2. Jetzt wird der Carsten auch noch Musikkritiker…;) Im Ernst: Gelungener Kommentar! You’ll never walk alone ist schließlich auch kein Rocksong und kommt trotzdem in Stadien richtig gut; mal sehen, was der Preußen-Song in den nächsten Jahren so mit den Fans macht. Oder die Fans mit dieser „Hymne“… Jedenfalls ist das auch ein Stein des großen Aufbruchs-Mosaiks rund um den SCP. Ist doch toll!!!

  3. Rainer sagt: Als wenn die Spieler alle im Smoking ins Stadion einlaufen! Alsmann’s Hymne ist was für’s Theater, aber nicht für den Fußballplatz!

  4. Ganz unvoreingenommen habe ich den Song eben zum ersten Mal hier auf dem Portal gehört und kann einen Teil der Kritik schon verstehen. „Hymne“ ist da sicherlich etwas hoch gegriffen, klar.

    Aber: Man stelle sich den Song mal ohne die Chor-Elemente vor. Als Akustikversion. Und nur das Stadion sind die Lyrics zur Melodie. Mit den Schals hochgehalten. Alle zusammen. Warum denn eigentlich nicht?

    Man muss neuen Songs auch mal eine Chance geben, sich zu entwickeln. In diesem Fall ist Potenzial definitiv da, wie ich finde. Danke für dein Werk, lieber Götz. Und danke für deine feine Einordnung, Carsten.

    1. So gesehen als Akustikversion mit den singenden, textsicheren Fans könnte es tatsächlich noch was werden, da stimme ich Dir zu.

  5. Wenn man das Werk mit „Audacity“ neu denkt und mir dem Faktor 155 schneller neu aufnimmt, erkennt man auf Anhieb welch großes Potenzial dem Stück innewohnt. Handwerklich sehr gute Arbeit. Mann stelle sich Bass und mehr E- Gitarre vor und schon wäre es im Stadion denkbar. Remix jetzt!

  6. Ein super Lied – für die Beerdigung eines 93jährigen Ehrenpräsidenten.
    Meine 79jährige Mutter gindet den Song super. Er erinnert sie an die seeligen 50iger. Fazit: das Ding ist unnütz!

  7. Götz Alsmann sollte den Auftrag bekommen, eine Sinfonie zur Einführung eines neuen Bischofs im Dom zu Münster zu komponieren. Eine Hymne, mehr ein Fan- Hit für das SCP Fußballstadion, müsste anders klingen. Hier könnten wir von den Schotten und den Iren was lernen.

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