Marc Lorenz: „Das muss auch mal scheppern!“
Hamburg – Die Ausbildungszeit des SC Preußen Münster in der 2. Bundesliga läuft noch. Und die Lernkurve ist steiler als erhofft, vielleicht als erwartet. Wie leichtfertig der SCP die Gegentore in Hamburg ermöglichte, sorgte auch beim Kapitän für eine genervte Stimmungslage. „Da muss es auch mal scheppern“, forderte er nach dem Spiel.
Artikelfoto: S. Sanders
Volles Haus, 57.000 Zuschauer, tausende Preußenfans im Rücken: Da verwunderte es schon etwas, wie höflich der SC Preußen phasenweise nebenher lief. Die fehlende Griffigkeit war nach dem Spiel bei Trainer und Spielern Thema. Sascha Hildmann wunderte sich: „Dass wir aus so einem Spiel ohne Gelbe Karte rausgehen, verstehe ich einfach nicht“, meinte er. Was Hildmann sicher nicht meinte: brutal spielen. Was er meinte: „Wir laufen zu brav nebenher, geben dem HSV da in vielen Szenen einfach Geleitschutz. Das müssen wir unbedingt ablegen.“
Hildmann glaubte, bei seiner Mannschaft noch immer zu großen Respekt zu sehen. Und die führe auch zu fehlender Aggressivität und dann kämen eben solche Spiele heraus. Galligkeit wollte er sehen.
Damit sah sich Hildmann auf Augenhöhe mit Marc Lorenz. „Wir sind noch in der Lernphase, aber das muss einfach schneller gehen. Wir müssen dreckiger werden und dann muss es auch mal im Mittelfeld scheppern, damit der Gegner sieht, dass wir da sind.“
Alles fügt sich derzeit beim SC Preußen zu einer unglücklichen Mischung. Vorne ist das Team einfach zu ineffektiv, hinten zu anfällig. Und deshalb ist die Mannschaft zwar spielerisch hier und da auf Augenhöhe, aber weit entfernt von Punkten. Ein mickriger Punkt nach vier Spielen ist zu wenig. „Wir machen zu viele Fehler und treffen in der Liga zugleich auf solche Gegner.“ Gemeint war: Blinde Abläufe, so wie beim 0:3, als ein Ballverlust von Amenyido einen brutalen Konter in Gang setzte, der wie schlafwandlerisch zum Tor führte. (Übrigens ein ganz ähnliches Tor wie vom Duo Grodowski/Batmaz am ersten Spieltag …)
„So einen Konter musst du einfach unterbinden“, meinte Lorenz. „Den musst du halten, dann kassierst du eben Gelb, das ist doch egal! Das müssen wir lernen, sonst wird es schwer.“ Sicher, es sei erst der vierte Spieltag, aber irgendwann sei es der zehnte, dann der 18. Spieltag. „Und irgendwann ist es zu spät.“
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Der Gegner allein dürfe auch nicht immer als Argument herhalten. „Wenn die uns mit zehn Doppelpässen auseinanderspielen, okay, dann ziehe ich den Hut. Aber so einfache Gegentore nach Standards? Es muss schon der Anspruch sein, auch mal bei einer Topmannschaft etwas mitzunehmen“, formulierte Lorenz. Das sah im Grunde auch Hildmann so. „Dieser Respekt, den wir da zeigen, der nervt mich“, gab er zu. „Wir spielen in der selben Liga um die selben Punkte!“
Dass es innerhalb dieser Liga Qualitätsunterschiede gibt, wollte er damit nicht verneinen. Sicher wird der SCP nicht mit den Aufstiegsaspiranten auf Augenhöhe sein können. Aber etwas mehr Gegenwehr, mehr Präsenz, Griffigkeit – das sei jetzt schnell gefragt. Beginn wird Hildmann und sein Team mit der Frage, wie Verantwortlichkeiten konkreter verteilt werden. Der Trainer sah vor allem beim ersten Gegentor typische Fehlerketten: Zu viel Abstand, gleich drei Abwehrspieler der Preußen waren nicht entschlossen genug. „Da erwarte ich, dass jeder einzelne da reingeht und sich sagt, ICH will diesen Ball klären!“ Wie man das verändern kann, wird Aufgabe für die nächsten Tage sein.
Fakt ist: Derzeit ist der SCP nur Lehrling in der 2. Bundesliga. Niemand verlangt den Meistertitel, aber das Gesellenstück muss jetzt her.
Ich unterstütze den Kommentar und Bericht von Carsten Schulte vom Spiel gegen den HSV voll und ganz. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Die Anerkennung und die Bewunderung durch Hamburger Fans für die Unterstützung und Stimmung der Preußen Fans im Stadion wurde mir mehrfach mitgeteilt. Noch nie war im Volksparkstadion ein Spiel gegen einen Aufsteiger komplett ausverkauft. Wer hätte vor 1 Jahr gedacht, dass der SCP nach dem überraschende Aufstieg in einem ausverkauften Volksparkstadion spielt, vor 57.000 Zuschauern! – und es kommt ja noch das ein oder andere Highlight, wenn der SCP u.a. in 5 EM-Stadien spielen darf. Den größten Fehler, den der SCP machen kann, wird regelmäßig von Alexander Heflik in der WN propagiert. Statt die Saison in der 2. Liga zu genießen, Erfahrungen zu sammeln und weiterhin an der Professionalisierung des Vereins zu arbeiten, soll laut Alexender Heflik Druck aufgebaut und die 2. Liga auf Teufel komm raus gehalten werden. Das kann man versuchen, aber die Geschichte zeigt, dass mehrere Trainerwechsel und die Verpflichtung von vermeintlich tollen Spielern während der Saison meistens in einer prekären finanziellen Lage und den Absturz in den Amateursport bedeutet. Ich würde mich freuen, wenn auch der SCP die Zeit in der 2. Liga nutzt, um sich insgesamt im Profi-Fußball zu stabilisieren. Ein beschleunigter Stadionausbau würde hier sicherlich helfen. Die Euphorie auf diesem Weg wird nicht nachlassen. Die Fans werden sich auch beim Abstieg in die 3. Liga nicht frustriert vom SCP abwenden.